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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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einer mehrfach verknoteten Schnur von der Decke herabhing. Qualm von der versengten Matratze stieg hoch. Billys Sichtgerät passte sich sofort an dieses neue Licht an und senkte seinen Verstärkungsfaktor. Der nackte Mann blinzelte und kniff die Augen zusammen.
    Er starrte Billy an. »Mein Gott«, stieß er schließlich hervor. »Wer sind Sie denn?«
    Billy wusste, dass die Frage spontan gestellt wurde und der Mann keine Antwort erwartete. Er sagte: »Wie heißen Sie?«
    »Lawrence Millstein«, erwiderte der nackte Mann.
    »Arbeiten Sie in einem Laden namens Lindner's Radio Supply?«
    »Nein.«
    Das stimmte. Billy hörte es im Zittern der Stimme des Mannes, in den Oberschwingungen seiner Angst.
    »Wohnen Sie hier allein?«
    »Ja.«
    Auch das entsprach der Wahrheit.
    »Ein Mann ist von Lindner's hierhergekommen«, sagte Billy. »Kennen Sie den Mann, der bei Lindner's arbeitet?«
    »Nein«, antwortete Lawrence Millstein.
    Aber das war eine Lüge, und Billy reagierte augenblicklich. Er bündelte den Strahl seiner Handgelenkwaffe und schnitt damit den Zeigefinger an Lawrence Millsteins linker Hand über dem obersten Knöchel ab. Millstein stand für einen Moment in stummem Nichtbegreifen da, bis der Schmerz und der Gestank seines verbrannten Fleisches von seinem Gehirn registriert wurden. Er starrte auf seine verletzte Hand.
    Seine Knie gaben nach, und er sank auf die angesengte Matratze.
    »Sie kennen den Mann, den ich meine«, sagte Billy vorwurfsvoll.
    »Ja«, keuchte Millstein.
    »Erzählen Sie mir von ihm«, verlangte Billy.
    All das erinnerte Billy an früher, vor langer Zeit, in der Zukunft, in Florida, und an die Frau, die dort gestorben war.
    Diese Erinnerungen stiegen in ihm auf, während er sich Lawrence Millsteins Geständnis anhörte.
    Billy erinnerte sich an die Glasscherbe und an den Namen der Frau, Ann Heath, und an die Art und Weise, wie sie ihn ständig wiederholt hatte, Ann Heath Ann Heath, während ihr das Blut über das Gesicht lief und die Vorderseite ihrer Bluse tränkte, sodass sie aussah wie ein hellroter Latz.
    Er war mit seinen Kameraden Hallowell und Piper von Nordwesten aus den Ruinen Miamis herübergekommen, einen wilden Sturm auf den Fersen. Während eines Angriffs von ihrer Einheit abgeschnitten, hatten sie sich angesichts überlegenen Feuers durch ein Labyrinth aus Vorstadtstraßen und fensterlosen Wohnboxen, die von Böen wilder Meeresluft umpeitscht wurden, zurückgezogen. Das Barometer hatte einen Tiefstand erreicht und fiel noch weiter. Die Nacht wurde von grellen Blitzen am östlichen Horizont erhellt, wo eine Wolkenwand um das extreme Vakuum ihres Kerns rotierte. Sie rannten und redeten nicht viel. Sie hatten jede Hoffnung aufgegeben, auf eigenes Gebiet zu gelangen, und sie wünschten sich nichts anderes als einen ausreichenden Abstand zwischen sich und den Aufständischen, ehe sie sich einen Unterschlupf suchten.
    Als sie das Haus entdeckten, hatte Billy sich daran gewöhnt, dass der Wind wie eine Riesenfaust ständig auf seinen Rücken einschlug.
    Es war ein Haus wie die meisten anderen Häuser in dieser mit Abfall übersäten, leeren Straße, ein flacher Bunker des Typs, der nach den ersten Katastrophen in der Zone gerne als »wetterfest« angepriesen wurde. Natürlich war er das nicht. Aber sein Dach war intakt, und die Mauern schienen sicher und Schutz spendend zu sein; er musste viele Stürme relativ unversehrt überstanden haben. Er war heil, und das hatte Billys Interesse geweckt.
    Die meisten dieser Häuser standen leer, aber man konnte immer wieder auf Hausbesetzer stoßen. Daher sprang Bruder Hallowell, ein hochgewachsener Mann und unter seiner Rüstung athletisch gebaut, über einen Zaun und arbeitete sich zur Rückseite des Hauses vor, während Billy und Bruder Piper eine Sprengwaffe durch den schmalen Sichtschlitz neben der Tür warfen. Billy grinste, als die Tür aufgerissen wurde und weißer Qualm in den Regen herauswallte. Er trat über die Schwelle und spürte, wie sein Sichtgerät sich auf die Dunkelheit einstellte. Er nahm einen Taschenlöscher von seinem Gürtel und löschte den brennenden Teppich. Bruder Piper sagte: »Ich öffne für Bruder Hallowell die Hintertür«, und begab sich in den hinteren Teil des Hauses, während Billy die Vordertür vor dem peitschenden Regen schloss und dabei dachte, wie schön es wäre, für die Nacht im Trockenen zu sein ... aber dann veränderte die Lage sich sehr schnell auf sonderbare Art und Weise. Bruder Piper begann etwas

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