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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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bringen. »Es ist die Musik der Weißen«, sagte Millstein.
    »In den Folk-Cafés findet mehr soziale Kritik statt als in den Jazzbars«, erwiderte Soderman.
    »Aber das ist doch der Punkt. Folkmusik ist wie ein College-Text. All diese ernsthaften kleinen Predigten. Jazz ist das eigentliche Thema. Das ist der Stoff, den die Predigten behandeln. Das gesamte Schwarzendasein ist darin eingebettet.«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Tom. »Dass die Weißen keine Musik machen sollten?«
    Augen richteten sich auf ihn. Soderman hob die Hand. »Sieh mal an, der Fernsehmann spricht!«
    Millstein hatte ziemlich viel Bier getrunken und war streitsüchtig. »Was, zum Teufel, weißt du denn schon von den Schwarzen und ihrem Leben?«
    »Kein bisschen«, sagte Tom freundlich. »Verdammt noch mal, Larry, ich bin genauso weiß wie du!«
    Lawrence Millstein öffnete den Mund und klappte ihn wieder zu. Einen Moment lang herrschte Stille ... dann brachen alle am Tisch in brüllendes Gelächter aus. Millstein brachte endlich einen Ton hervor – es hätte ein Leck mich doch sein können –, aber es ging in dem Lärm unter, und Tom konnte es ignorieren.
    Joyce lachte ebenfalls, dann lenkte sie die Unterhaltung in eine weniger gefährliche Richtung. Sie habe einen Brief von jemandem namens Susan bekommen, die in einer ländlichen Gegend Georgias politische Aufklärungsarbeit leiste. Offenbar hatte Susan, ehemalige Vassar-Studentin, während ihrer Zeit im Village ein ziemlich wildes Leben geführt. Jeder wusste irgendeine Anekdote über Susan zu berichten. Joyce lehnte sich erleichtert zurück.
    Sie beugte sich zu Tom hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. »Pass auf, dass du ihn nicht wütend machst.«
    Er zuckte die Achseln. »Ich glaube, es ist schon zu spät«, flüsterte er zurück und bestellte sich dann ein frisches Bier.
    Er hatte jenen empfindlichen Punkt erreicht, an dem er noch nicht richtig betrunken, aber auch nicht mehr nüchtern war. Er entschied, dass seine neuen Bekannten nette Leute waren. Er konnte sie gut leiden. Als sie von Stanley's aufbrachen, folgte er ihnen. Joyce ergriff dabei seine Hand.
    Die Nachtluft war warm und völlig still. Sie gingen an Häusern vorbei, auf deren Veranden sich Menschen drängten, an trüben Straßenlaternen, an Lärm und an einem Friseurladen, aus dem penetranter Barbasolgeruch herausdrang. Sie gelangten zu einem alten Gebäude, gingen hinein und kamen in ein lang gestrecktes Zimmer voller Bücherregale und schlechter, amateurhafter Gemälde. »Das ist Lawrences Apartment«, vertraute Joyce ihm an. Er fragte: »Was habe ich denn hier zu suchen?« Und sie antwortete: »Er veranstaltet eine Party.«
    In den Regalen standen vorwiegend Gedichtbände, die Evergreen Review und moderne Romane. Die Schallplattensammlung war umfangreich und beeindruckend. Es gab sogar alte 78er-Platten von Bix Beiderbecke. Die HiFi-Anlage sah ziemlich teuer aus: ein Rek-O-Cut-Plattenspieler und ein Verstärker mit einer ganzen Röhrenbatterie. »Musik!«, rief jemand, und Tom beobachtete, wie Millstein eine John-Coltrane-Platte aus der Hülle holte und auf den Plattenteller legte – die Geste wirkte beinahe ehrfürchtig. Plötzlich war der Raum von Musik erfüllt ...
    Tom sah, wie Soderman die Jalousien herunterließ, den Blick auf die Fourteenth Street versperrte, während jemand anderer eine Holzbox mit einer Viertelunze braunen Marihuanas und ein Päckchen Zig-Zag-Zigarettenpapier auf den Tisch legte. Tom fand die Ernsthaftigkeit dieses Rituals amüsant, ebenso ein paar misstrauische Blicke in seine Richtung – war dieser neue Typ vertrauenswürdig? Er kam herüber und sagte: »Lass mal, ich dreh einen.«
    Lächeln. »Weißt du denn, wie?«, fragte Joyce.
    Er klebte zwei Blättchen Papier zu einem großen zusammen. Seine Technik war etwas eingerostet – es war schließlich schon lange her –, aber er brachte einen glaubwürdigen Joint zustande. Soderman nickte anerkennend. »Wo hast du das gelernt?«
    »Auf dem College«, antwortete er geistesabwesend.
    »Und wo warst du auf dem College?«
    »Im landwirtschaftlichen Herzland der nordwestlichen Pazifikstaaten.« Er lächelte. »Ein Zündholz?«
    Er wollte lediglich seine kameradschaftliche Haltung demonstrieren, doch das Dope stieg ihm sofort in den Kopf. Coltranes Saxophon, das aus einem einzigen Lautsprecher drang, wurde zu einem großen, glockengleichen Instrument. Er beschloss, Lawrence Millstein dafür zu mögen, dass er diese Musik liebte,

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