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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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der Diagnoseprogramme der Rüstung waren solche Probleme eigentlich das Arbeitsgebiet der Infanterieärzte.
    Aber hier gab es keine Infanteriedoktoren.
    Er überlegte, ob die Drüse durch das Blutgerinnsel wohl beschädigt worden war. Ob das Blut wieder gerinnen würde. Vielleicht ... vielleicht war diese letzte Episode nur ein Symbol für seine eigene Sterblichkeit.
    Aber nein, dachte Billy, das stimmt nicht. Ich bin der Tod. Das ist es, was ich heute Nacht verkörpere. Und der Tod kann nicht sterben.
    Er lachte laut auf in seinem freudigen Überschwang. Es war ein gutes Gefühl, wieder zu jagen.
    Er ging zu dem Haus, das sein Opfer betreten hatte, als die Jagd unterbrochen worden war. Er justierte die Bandbreite seines Sichtgeräts und entdeckte eine Staubspur blauen Lichts im Hauseingang, sehr schwach. Und die Treppe hinauf.
    Heute Abend, dachte Billy, heute kommt alles zusammen.
    Heute, endlich, würde er jemanden töten.

 
    13
    Catherine verließ schnellstens den Holzschuppen, wirbelte herum und rannte davon. Dabei stolperte sie über Dornenranken und zerkratzte sich die Beine. Sie fühlte von all dem nichts. Sie hatte zu viel Angst.
    Das Ding in dem Schuppen war ...
    War unbenennbar.
    War nicht menschlich.
    War die pulsierende Travestie eines menschlichen Wesens.
    Sie rannte, bis sie völlig außer Atem war, dann stützte sie sich an einem Baumstamm ab. Ihre Lungen stachen, und ihre bloßen Arme waren blutig von den Nesseln. Der Wald ringsum war still, groß und auf absurde Weise sonnendurchflutet.
    Sie ließ sich auf das weiche Bett aus Fichtennadeln sinken, schlang die Arme um ihren Oberkörper.
    Sei vernünftig , dachte Catherine. Was es auch ist, es kann dir nichts anhaben. Es kann sich nicht rühren.
    Es war blutig und hilflos. Vielleicht kein Monster, dachte sie; vielleicht ein menschliches Wesen in furchtbarer Not, abgehäutet, zerfleischt ...
    Aber ein zerfleischtes menschliches Wesen hätte nicht mit dieser ruhigen und ernsten Stimme »Helfen Sie mir« gesagt.
    Es war verletzt. Nun, natürlich war es verletzt – eigentlich hätte es längst tot sein müssen! Sie hatte durch seine Haut blicken können, in sein Inneres, durch den Schädel in sein Gehirn. Wer oder was könnte dies einem menschlichen Wesen angetan haben, und welches menschliche Wesen könnte so etwas überleben?
    Geh nach Hause, gab Catherine sich selbst den Befehl. Zurück zu Grandma Peggys Haus. Was immer sie unternahm – die Polizei anrufen, einen Krankenwagen alarmieren –, sie konnte es von dort aus tun.
    Zu Hause konnte sie nachdenken.
    Zu Hause konnte sie die Türen abschließen.
    Sie schloss die Türen ab und suchte in den Küchenschränken nach etwas Beruhigendem. Was sie fand, war eine Karaffe aus geschliffenem Glas mit Pfirsichschnaps, noch zu zwei Dritteln voll – »für schlaflose Nächte«, pflegte Grandma Peggy zu sagen. Catherine nahm einen kräftigen Schluck direkt aus der Flasche. Sie spürte die Flüssigkeit wie einen kleinen Heizofen, feurig und wärmend.
    Im Bad im Parterre wusch sie sich das Blut von den Armen und besprühte die Kratzer mit Bactine. Ihre Bluse war zerrissen. Sie zog eine andere an, wusch sich das Gesicht und die Hände.
    Dann machte sie die Runde im Parterre, überprüfte die Türen, ob sie alle abgeschlossen waren, und blieb vor dem Telefon stehen. Wahrscheinlich sollte ich jemanden anrufen, dachte sie.
    911?
    Die Polizei von Belltower?
    Aber was konnte sie erzählen?
    Sie dachte einige Zeit nach, war völlig gelähmt, weil sie sich nicht entscheiden konnte, bis sie eine ganz andere Idee hatte. Es war ein spontaner Impuls, aber durchaus einleuchtend. Sie holte Doug Archers Visitenkarte aus einer Schreibtischschublade und wählte die Nummer, die er auf der Karte notiert hatte.
    Sein Auftragsdienst versprach, dass er in einer Stunde zurückrufen werde. Catherine war durch diese unerwartete Verzögerung etwas durcheinander. Sie saß am Küchentisch, die Flasche Pfirsichschnaps vor sich, und versuchte, ihr Erlebnis im Holzschuppen irgendwie einzuordnen.
    Vielleicht hatte sie irgendetwas missverstanden. Das war möglich, nicht wahr? Menschen sehen schon mal seltsame Dinge, vor allem, wenn sie gerade eine Krise durchleben. Vielleicht war dieses Wesen schrecklich verletzt worden. Sie hätte wohl doch nicht weglaufen sollen.
    Aber Catherine hatte die Beobachtungsgabe einer Künstlerin, und sie erinnerte sich an die Szenerie, als sei sie auf einer Leinwand festgehalten: dunkle Stockflecken auf alten

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