Chucks Welt
Januar hier in der Schule aufgekreuzt ist, ändert sich ihr Stundenplan dauernd, damit sie alle Kurse für den Abschluss hinbekommt. Deswegen hatte sie nur ein Mal zur gleichen Zeit Mittagspause wie ich, aber das hat sie sausen lassen, um in der Zeit noch einen Zusatzkurs zu machen. Also sitzen mittags im Augenblick nur ich, Steve und Kanha zusammen.
»Yo, Doggs«, sagt Kanha. »Die Barrys wollen wissen, ob wir beim Matheteam mitmachen. Gibt wieder neue Plätze.«
Barry und Barry (keine Verwandtschaft) sind zwei hyperintelligente Blödspaten aus dem PWLJFKHS-Matheteam. Wenn die nicht alle Mädels klarmachen, wer dann?
»Das ist nicht dein Ernst, Kanha«, frage ich. »Wieso sollten wir? Du weißt doch, dass ich Mathe hasse.«
»Wieso hockst du dann jeden Tag nach der Schule hier rum und machst krass einen auf Differentialrechnen, Bruder?«, gibt er zurück.
»Weil«, mischt Steve sich ein, »Amy das so will. Und was Amy will, das kriegt sie.«
»Was soll das heißen?«, frage ich.
»Weißt du genau.«
Seit ich mit der Nachhilfe für Amy angefangen habe, läuft es zwischen mir und Steve ziemlich verquer. Dass ich unsern Kinobesuch geopfert habe, war nur der Anfang. Ich habe zwar seither keine gemeinsamen Pläne mehr platzen lassen, mich aber auch nicht gerade ins Zeug gelegt, mich mit ihm zu verabreden. Amy will nach der Schule immer zusammen mit mir lernen und ich bringe es nicht über mich, ihr abzusagen. Offen gesagt: Ich will nicht.
»Mann, he«, sagt Kanha und legt die Fritte weg, die er sich gerade in den Mund stecken wollte. »Habt ihr Beef?«
Wenn Kanha so daherquatscht, kann man ihn echt nicht ernstnehmen. »Was soll das denn sein?«, frage ich.
»Na Zoff, ist doch klar!«
»Nein, haben wir nicht«, antwortet Steve diplomatisch. »Chuck hat bloß Wichtigeres zu tun, als was mit mir zu machen.«
Holla, so diplomatisch war das doch nicht.
»Ach komm, Steve«, sagte ich, »hab dich nicht so. Kein Grund, sauer zu sein. Ist doch nur wegen Amy.«
»Das sagst du andauernd: ›Nur wegen Amy.‹«
»Na ja, ist halt so. Wir sind Freunde.«
»Ich bin nicht sauer, Chuck. Ich mach mir Sorgen um dich.«
»Wieso denn Sorgen?«
»Versprichst du mir, nicht auszurasten?«
»Ich raste nicht aus. Was für Sorgen denn?«
»Tja, was ist, wenn das für Amy gar nichts mit Freundschaft zu tun hat?«
»Wie meinst du das?«
»Vielleicht ist sie nur so viel mit dir zusammen, weil du ihr in Mathe hilfst, kostenlos?«
Dieser Gedanke ist mir auch schon gekommen. Die heiße Neue flirtet mit dem schwachsinnigen Spinner, um zu kriegen, was siewill – eine verdammt naheliegende Story. Aber Amy würde das nie tun.
»Fick dich, Steve«, sage ich. »So blöd bin ich echt nicht. Du bist nur eifersüchtig.«
»Autsch!«, sagt Kanha.
Prompt macht Steve einen Rückzieher. »Ich hab’s nicht so gemeint, Chuck. Hätte den Mund halten sollen. Ich will doch bloß nicht, dass sie dich irgendwann komplett zerlegt.«
»Das tut sie nicht«, gebe ich zurück. »Ich hab das schon im Griff.« Ich beschließe eine Versöhnungsgeste. »Wie wär’s mit Wii-Boxen bei mir nach der Schule?«
»Weiß nicht«, grinst Steve. »Vielleicht gehe ich da zum Matheteam.«
»Echt, Digga?«, sagt Kanha und strahlt.
»Nein, du Depp«, sagt Steve zu Kanha. »War Spaß. Wieso interessiert dich das überhaupt?«
»Kommen noch ’n paar Turniere dieses Jahr, mit Shorties von andern Schulen, yo!«
»Kanha meint, dass er durchs Matheteam Frauen aufgabeln will«, kläre ich Steve auf. »Wohl die mit Abstand dämlichste Idee in der Geschichte der Menschheit.«
Steve lacht. Unser kleiner Streit scheint erledigt zu sein. Wenn sonst nichts geht, kann man immer noch zusammen auf diesem kleinen Inder rumhacken, der wie Jay-Z zu quatschen versucht.
»He«, wehrt sich Kanha, »nicht alle haben so ’n Glück wie du mit deiner sexy Nachhilfe-Lady. Will halt meinen Horizont erweitern, Bruder.«
»Kannst du das woanders machen?«, wirft Steve ein. »Stacey Simpson sitzt hinter dir, in was ziemlich Durchsichtigem. Du verdeckst mir den Blick auf ihre Kanonenkugeln.«
Kanha duckt sich weg. Steve und ich lachen – und linsen gemeinsam nach Stacey.
A my kichert. »Du kannst gar nicht still sitzen heute.«
Da hat sie recht. Beim Mathelernen in der Bibliothek zapple ich pausenlos herum. Ich bin schon den ganzen Tag unruhig und kribbelig. Kribbelig = lila Chucks. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich die zum letzten Mal anhatte.
»Ich weiß«, sage ich.
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