Chucks Welt
»Keine Ahnung, warum.«
»Ich schon«, meint Amy. »Das sind die Frühlingsgefühle.«
»Was?«
»Wir haben März und es ist der erste schöne Tag in diesem Jahr. Wir müssen nach draußen.«
»Aber wir haben heute ziemlich viel Stoff.«
»Wir sind nur einmal jung, oder? Einen lernfreien Tag werden wir schon überleben.«
»Okay. Worauf hast du Lust?«
»Warum bringst du mich nicht nach Hause? So als Spaziergang zu zweit?« Amy grinst.
Wenn die heiße Neue nur mit dem schwachsinnigen Spinner flirtet, um zu kriegen, was sie will, dann würde sie nie im Leben die Mathestunde sausen lassen, um sich von dem Spinner nach Hause bringen zu lassen. Steve liegt eindeutig falsch.
»Okay«, sage ich und versuche, meine Begeisterung zu verbergen. »Dann mal los.«
Was derart Spontanes habe ich noch nie gemacht, in meinem ganzen Leben nicht. Hey, ein kleiner Schritt nach dem andern.
Amy wohnt an der Grenze zwischen Plainville und West Lake. Von dort wieder zurück zu mir zu laufen, nachdem ich sie heimgebracht habe, wird ein strammer Marsch, aber das kümmert mich nicht. Wir sind nur einmal jung, stimmt doch, oder?
Wir bummeln durch die Straßen und plaudern. Es ist ungewöhnlich warm. Das Leben fühlt sich im Augenblick wirklich verdammt gut an.
»Stacey und Wendy haben gefragt, ob ich bei der Organisation vom Abschlussball mitmache«, erzählt Amy.
»Ach ja?«
»Mach ich aber nicht. Ich muss schon zu viele Kurse reinquetschen, außerdem finde ich so einen Ball irgendwie öde.«
»Wie kommt’s, dass du den Ball öde findest, aber auf die Abschlussfahrt fährst du total ab?«
»Weiß nicht. Ist doch irgendwie süß, so eine Tradition, die unter den Schülern immer weitergetragen wird, meinst du nicht? Das ist ganz allein unsere Sache. Der Ball ist eher so ein Bonzending.«
Ich bin noch nie im Leben auf die Idee verfallen, etwas, das ich öde finde, ein »Bonzending« zu nennen, und werde das auch nie tun. Amy hat mir mal wieder gezeigt, dass sie mir in Sachen Coolness haushoch überlegen ist.
»Chuck, ich wollte mich bei dir bedanken, dass du mir so hilfst mit dem Mathekram. Macht echt Spaß, mit dir zusammen zu sein.« Sie lächelt ihr berauschendes Lächeln.
Ich brauche meine gesamte Energie, um nicht aus den Latschen zu kippen, und bringe nur noch ein mühsames Piepsen heraus. »Schon in Ordnung.«
»So, da sind wir.«
Wir bleiben vor Amys Zuhause stehen. Ich bin froh, dass wir nicht noch weiter laufen müssen, denn mir ist ganz schwummrig von Amys Kompliment.
»Mann«, sage ich, als wir durch das Gartentor treten, »hier sieht’s haargenau aus wie bei uns.« Ist denn wirklich jedes beschissene Haus in Plainville vom gleichen Architekten gebaut worden?
Da höre ich ein Bellen, dann öffnet sich die Hundetür beim Eingang und Amys Hund kommt rausgestürmt. Er ist ein bisschen größer, als ich dachte, hat goldgelbes Fell und ist irrwitzig begeistert. Er rennt Amy direkt in die Arme und sie hebt ihn hoch.
»Hallo, mein Mädchen! Ich hab dich so vermisst«, sagt Amy.
Ich vergesse immer, dass es eine Sie ist und kein Er. Wie gesagt: Hunde sind nicht mein Ding.
»Ich möchte dir jemanden vorstellen«, sagt Amy zu dem Hund. »Chuck, das ist Buttercup. Buttercup, das ist Chuck.«
Sie nimmt die Hundepfote und hält sie mir hin. Erwartet sie ernsthaft, dass ich dem Hund die Pfote schüttle? Ich strenge mich an, nicht allzu offensichtlich das Gesicht zu verziehen, und tue, was sie will. Die Hundepfote ist weniger ekelhaft, als ich mir das vorgestellt habe, aber ich spüre, wie der Hundegeruch an meinen Fingern hängen bleibt. Es schüttelt mich, ohne dass Amy es merkt. Sie setzt Buttercup wieder auf den Boden und sofort rast der Hund immer im Kreis um uns herum, wobei er ab und zu stehen bleibt, um an meinen Chucks zu schnuppern oder seine Schnauze in meinen Schritt zu graben. Nicht gut.
»Ich hab in so vielen verschiedenen Städten gelebt und war in so vielen Schulen«, sagt Amy, »aber auf Buttercup konnte ich immer zählen. Sie ist das einzig Verlässliche in meinem Leben, verstehst du?«
»Total«, sage ich. Ich begreife das nicht. Das ist bloß ein verdammter Hund.
Amy kniet sich hin und krault Buttercup am Hals und hinter den Ohren. »Das ist albern, ich weiß«, sagt sie, »aber sie ist wirklich meine allerbeste Freundin. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie täte.« Amy sieht zu mir hoch, während ich wie ein Idiot dastehe und krampfhaft die Luft anzuhalten versuche. »Du kannst sie ruhig
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