Chucks Welt
Natürlich erst recht, da es Amy ist.
Sie kommt zu uns. »Hey, Chuck!«
Es ist verrückt: Offenbar überrascht es mich immer noch jedes Mal, dass sie weiß, wer ich bin. »Hey, Amy.«
Sie lächelt und ich natürlich auch, was Steve ausschließt, der neben uns steht wie ein Idiot.
»Ich bin Steve.« Er wirft mir einen bösen Blick zu.
»Oh, sorry«, sage ich kleinlaut.
»Schön, dass wir uns kennenlernen, Steve«, sagt Amy. »Chuck erzählt oft von dir.«
»Na ja, oft ist übertrieben«, werfe ich ein.
»Wie läuft’s mit Mathe?«, fragt Steve. Ich versuche, mich zu erinnern, wann Steve in meiner Gegenwart überhaupt mal mit einem Mädchen geredet hat, von meiner blöden Schwester abgesehen.
»So weit okay«, sagt Amy. »Ach, übrigens, Chuck, ich wollte dir gerade simsen. Können wir uns heute zusammensetzen statt morgen? Morgen ist so ein Familiendings, das ich komplett verdrängt habe.«
Ach, Amy Huntington, ist dir nicht klar, dass du mich um alles in der Welt bitten könntest? Ich würde immer Ja sagen.
»Okay, kein Problem«, sagte ich. »Ich hab Zeit heute.«
»Bombig«, sagt Amy. »Bis später dann. Ciao, Steve.«
»Tschüss«, murmelt Steve.
Amy trabt los, auf ihre typische Amy-Art, cool wie nur was.
Steve wartet, bis sie außer Hörweite ist.
»Was ist denn das für ’ne Scheiße, Chuck?«
»Was?«
»Wir wollten doch heute ins Kino.«
Ich würde gerne behaupten, ich hätte mich vertan und unsere Verabredung vergessen, aber das wäre gelogen.
»Mist, hab ich komplett vergessen.«
»Chuck, du bist ein saumäßiger Lügner.«
»Tut mir leid. Das war Amy . Was hätte ich sonst tun sollen?«
Steve seufzt kopfschüttelnd und geht weg.
Ehrlich, ich bereue nichts.
Amy und ich sitzen an dem üblichen Tisch. Auch wenn es erst unser zweites Date, äh, unsere zweite gemeinsame Lernstunde ist, nenne ich ihn innerlich schon »unseren Tisch«.
»Willst du was abhaben?« Amy knabbert an einem Müsliriegel. Einem von der Sorte, die beim Reinbeißen in tausend Stücke zerbröseln.
»Danke, muss nicht sein«, sagte ich. Amy futtert in aller Seelenruhe weiter. Ich begreife absolut nicht, wie Leute mit den Händen essen können, ohne sich hinterher sofort zu waschen. Die Krümel auf unserm Tisch zerren an meinen Nerven. Ich komme fast um vor Sehnsucht nach Sagrotan. Und nehme mir selbst das Versprechen ab, Amy nie im Leben von meiner Zwangsstörung zu erzählen.
»Sag mal, was ist das für ein Theater um die Abschlussfahrt?«, fragt mich Amy. »Die Leute drehen schier durch vor Begeisterung.«
»Ziemlich uncoole Sache«, erkläre ich. »Da fahren alle aus der Abschlussklasse zusammen auf irgendeine Wiese zum Zelten und trinken jede Menge Bier. Und am Ende kotzen sie alles voll.«
»Hört sich doch echt gut an. Vom Kotzen mal abgesehen. Campen ist doch cool.«
Wieso zur Hölle gehen alle so gern campen? Das ist wie freiwillig obdachlos sein!
»Na ja«, sage ich. »Ich fahr wohl nicht mit.«
»Echt? Oje, das musst du aber. Bringt dich schon nicht um.«
So wie Amy das sagt, klingt es beinahe wahr. Beinahe.
»Soooo«, schnurrt Amy und lässt das Thema fallen, »was hast du da neulich in Mathe gesagt?«
»Hä?«
»Cimaglia hat mich vor die Klasse zitiert und du hast auf einmal gesagt: ›Du bist schön!‹«
»Äh, also, ach, mhm …« Ich bin buchstäblich am Stottern. »Tut mir leid, echt.«
Warum kann mir nicht einer ins Gesicht schießen? Ich klopfe auf Holz, das heißt auf mein Knie.
»Ist absolut kein Problem«, sagt Amy. »Nur ein bisschen zusammenhanglos im Matheunterricht, das ist alles.«
»Ich sag das oft«, stottere ich. Was?
»Du erzählst dauernd irgendwelchen Mädchen, dass du sie schön findest?«
»Na ja, schon, also irgendwie … Dauernd, ja.«
»Ach«, sagt sie. »Und ich dachte schon, ich wär die Einzige.«
Passiert hier ernsthaft das, was ich mir einbilde? Legt es Amy Huntington vielleicht darauf an … zu flirten ? Mit mir?
»Nein«, schwafele ich, »so meine ich das nicht. Ich hab das noch nie zu irgendwem gesagt. Tut mir leid.«
»Du musst dich nicht entschuldigen. Ich fand’s nett.«
»Ehrlich?«
»Klar. Mädchen mögen Komplimente.«
Ich mache eine Gedankennotiz: mehr auf Beth hören, aber ohne es mir anmerken zu lassen.
»Banane«, sagt Amy. »Hab mich bloß drüber gewundert, und wo wir jetzt Freunde sind, dachte ich, ich kann einfach mal fragen. Kein großes Ding.«
Sie guckt in ihr Mathebuch.
Ich bleibe an ihren Worten kleben. Sie findet
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