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Chucks Welt

Chucks Welt

Titel: Chucks Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aaron Karo
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also, wir sind jetzt Freunde. Ist das ein Durchbruch oder ein Todesurteil?

S ie sagt nichts, guckt mich nicht mal anders an, trotzdem habe ich das Gefühl, Dr.   S. hasst mich. Zwei Monate psychiatert sie schon an mir herum, trotzdem geht nichts voran. Ich bin störrisch oder habe zu viel Schiss für eine Verhaltenstherapie und die Pillen in meiner Schublade stauben ein. (Nur so dahingesagt, mein Zimmer ist natürlich makellos sauber.) Inzwischen wendet sie eine andere Taktik an, die mich wohl in Sicherheit wiegen soll: Statt auf meinen Symptomen herumzureiten, stellt sie mir gutmütige persönliche Fragen.
    »Wie steht’s mit deinem Liebesleben, Chuck?«
    Verrückt, wie Erwachsene es immer wieder fertigbringen, unangenehme Situationen noch unangenehmer zu machen. Aber ich bin heute irgendwie frustriert (weiße Chucks) und brauche alle Hilfe, die ich kriegen kann, also beiße ich an.
    »Na ja, da ist so ein Mädchen, mit dem ich öfter zusammen bin. Amy.«
    Dr.   S. beäugt mich hinter ihren Brillengläsern. Ich habe den Eindruck, sie glaubt mir nicht und ergänzt in Gedanken ihre bisherige Diagnose: Spinner mit Wahnvorstellungen.
    »Amy? Das ist ein schöner Name.«
    Ja, genau, Doc.
    »Wir verbringen ziemlich viel Zeit zusammen. Ich helfe ihr mit den Stammfunktionen, gebe ihr also Nachhilfe, sozusagen.«
    »Dabei kannst du Mathematik selbst nicht leiden, richtig? Du hast das Mädchen wohl sehr gern?«
    Zwei echte Treffer.
    »Ja, schon. Aber wir sind bloß Freunde.« Amy hat das selbst gesagt.
    »Aber du willst mehr, als nur mit ihr befreundet sein?«
    »Denke schon.«
    »Chuck, was meinst du: Wie wirken sich deine Zwänge und Obsessionen auf deine Beziehung zu Amy aus? Auch wenn es streng genommen keine Beziehung ist.«
    Oha, auf einen derart harten, schnellen Wechsel war ich nicht gefasst. Eine gewagte Volte von Dr.   S. Ich spiele mit.
    »Na ja, helfen tut das nicht gerade. Manchmal ist ihr Rucksack voll mit Hundehaaren. Da wird es mir jedes Mal schwummrig. Sie ist so hübsch   – und sauber. Sehr sauber. Die Hundehaare allerdings   … gar nicht gut.«
    »Und wenn du versuchst, die Hundehaare anzufassen?«
    »Was?«
    »Wir haben über Reizgewöhnung im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie gesprochen, ja? Wenn du dich einem deiner Trigger aussetzt und dich davon abhältst, mit dem entsprechenden Zwang zu reagieren, setzt eine Habituation ein   – du gewöhnst dich daran und deine Ängste vermindern sich.«
    Ich schüttle nur den Kopf. Nein.
    »Chuck, ein einzelnes Hundehaar tut dir nichts, richtig?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wenn ein Büschel Hundehaare deinen Arm streifen würde, wäre das schädlich?«
    »Eklig wäre es. Schädlich wohl nicht.«
    »Dann versuch doch mal, ein einzelnes Härchen von Amys Rucksack auf deinen Arm zu tun   – was meinst du, was passiert?«
    »Gar nichts.«
    »Du hast recht, gar nichts wird passieren. Das ist genau der Punkt, ja?«
    »Schwachsinn.«
    Dr.   S. legt ihren Stift weg, mit mehr Nachdruck als nötig. Die Botschaft ist klar: du nerviger kleiner Mistkerl!
    »Hast du noch einmal über die Einnahme der Medikamente nachgedacht?«
    »Ich dachte, Sie wollten mich das nicht mehr fragen?«
    »Ich habe den Eindruck, wir kommen in ein kritisches Stadium, Chuck. Wie willst du später normale Beziehungen führen, nicht nur mit Mädchen, sondern auch mit Freunden und deiner Familie, wenn du nicht versuchst, dich deinem Problem zu stellen?«
    »Vielleicht geht alles von selbst weg. Meine Mutter sagt, sie hatte die gleichen Symptome, als sie jung war, und bei ihr haben sie sich irgendwann von selbst verabschiedet.«
    Dr.   S. ignoriert mein Wunschdenken. »Chuck, die Lexapro-Tabletten, die ich dir verschrieben habe, sind sehr niedrig dosiert. Und ich überwache alles genau. Du würdest sicherlich herausfinden, dass es dir hilft, da bin ich überzeugt, ja?«
    Ich gebe keine Antwort.
    »Würde Amy nicht auch wollen, dass es dir besser geht?«
    Das gefällt mir nicht. Der Tonfall passt mir nicht. Dass Dr.   S. Amys Namen ausspricht, passt mir nicht. Und am wenigsten passt mir, dass sie Amy als Taktik einsetzt.
    »Amy hat keine Ahnung, dass mit mir etwas nicht stimmt. Und dabei bleibt es auch.«
    »Aber irgendwann findet sie es bestimmt heraus, Chuck, meinst du nicht?«
    Ich bete, dass nicht.

I n der Cafeteria gibt es heute Sloppy Joes. Hackfleischsoße, die eklig aus dem Hamburger-Brötchen läuft? Klar, dass ich mir da was von zu Hause mitbringe. Weil Amy erst im

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