Chucks Welt
Hintergrundinformationen über dich bekomme, damit wir beide zusammen daran arbeiten können, dir zu helfen?«
»Ja«, sagte ich automatisch.
»Wie bitte?«
»Tut mir leid, ich wusste nicht, ob das eine Frage ist.«
Darauf lächelt sie nur. »Also, Chuck, erzähl mir von dir?«
Obwohl mich in meinem ganzen Leben noch nie jemand dazu aufgefordert hat – was im Prinzip eher traurig ist –, habe ich nicht die geringste Lust, vor einer Fremden einen Seelenstriptease abzuziehen. Ich mache dicht.
»Schon in Ordnung, Chuck«, sagt sie und tippt mit dem Stift auf ihren Block. »Fang einfach irgendwo an?«
Diese fünfzig Minuten werden sich ziehen wie Kaugummi …
I rgendwann ist dann doch wieder Montag, leider. Steve nimmt mich in seinem taubenblauen Ford Taurus mit in die Schule. Meine Eltern kaufen mir kein Auto, aber das Geschäft mit den Videohüllen ist für die Hushlickers anscheinend lukrativ.
»Wie lange warst du drin?«, fragt Steve.
»Halbe Stunde oder so.«
»Und du hast nichts gesagt?«
»Schon allein dieser Satz: ›Erzähl mir von dir.‹ Was soll man auf so was sagen?«
»Keine Ahnung. Dass du ’n echt guter Typ bist für einen Irren. Dass nicht mal Carrie Bradshaw so viele Schuhe hat wie du.«
»Carrie Bradshaw?«
»Weißt du doch, aus Sex and the City .«
»Steve, du bist echt schräg.«
»Hey, ich muss nicht zum Irrenarzt.«
Wir schleichen durch Plainville Richtung Schule. Die Straßen sind voll Schnee und Eis und Steves Taurus ist nicht gerade ein Geländewagen. Wie in allen stinknormalen Vororten gleichen sich auch in Plainville die Häuser. Bei Schnee kann man sie überhaupt nicht mehr unterscheiden. Wenn ich nur endlich von hier weg wäre!
»Gehst du noch mal hin?«, fragt Steve.
»Was?«
»Zu der Irrenärztin. Gehst du noch mal?«
» Psychiaterin . Keine Ahnung. Garantiert fährt Dad nicht jedes Mal danach zu GameStop mit mir.«
»Drei neue Spiele auf einmal, ich fass es nicht. Mein Dad macht ja die Hüllen und so, aber für mich fällt nichts ab. Schade, dass ich keinen Hau habe. Nach der Schule kommst du rüber und wir testen die Dinger.«
»Okay, na ja«, rede ich weiter, »ganz am Ende haben wir wohl doch ein bisschen was gesprochen. Ich hab ihr erzählt, wie sehr mich Beth nervt.«
»Echt? Und was hast du sonst noch gesagt, über Beth?«
Steve ist verknallt in Beth. Seit wir in der neunten Klasse waren und Beth in der siebten, fährt er total auf sie ab. Das ist noch viel schlimmer als dieses Ding mit dem Mädel aus Kalifornien, weil … weil Beth meine Schwester ist, verdammt. Mindestens einmal die Woche liegt er mir in den Ohren, ich soll ihn mit ihr zusammenbringen. Wie bitte? Kommt gar nicht infrage. Abgesehen davon habe ich bei Beth nichts zu melden. Und sie findet Steve absolut daneben. Direkt gesagt hat sie das zwar nicht, aber es war nicht schwer zu kombinieren: Als ich ihr von Steves Angebot erzählt habe, sie in die Schule mitzunehmen, hat sie nur gesagt, da nähme sie lieber den Bus.
»Ich weiß nicht mehr genau, was ich gesagt habe«, behaupte ich. »Hauptsächlich, dass Beth mich eben nervt und ich sie nicht ausstehen kann.«
»Also echt, Beth ist doch nicht nervig. Sie ist wunderbar … ein Mädchen, das zur Frau erblüht.«
»Steve, was hab ich dir gesagt wegen meiner Schwester? Ich bring dich um, echt!«
»Dann halt dich ran, sonst erledigt das Parker.«
Schweigend fahren wir weiter, eine ganze Weile lang. Parker Goldberg ist der Kapitän der Fußballmannschaft und Steves Erzfeind. Wobei das nicht ganz der richtige Ausdruck ist. Das klingt, als wäre Parker der Oberschurke in einem Comic und Steve läge im Kampf mit ihm. In Wirklichkeit ist es komplett einseitig. Parker macht Steve fertig und Steve hat keine Chance gegen ihn. Parker war der Typ, der Steve gleich am ersten Schultag in der Vierten »Arschficker!« hinterhergebrüllt hat, kaum dass er sich vorgestellt hatte. Steve sieht aus wie eine etwas kurz geratene, blasse Version von Milhouse bei den Simpsons, nur ohne Brille, also ist er sowieso das ideale Opfer, aber Parker hat ihn seitdem wirklich jeden Tag schikaniert. Manchmal mit Worten, manchmal mit Schlägen, und manchmal knöpft er ihm auch das Geld fürs Mittagessen ab, was absolut schwachsinnig ist. Wer macht denn so was? Ernsthaft, das klingt wie die wer-weiß-wievielte Wiederholung eines läppischen Highschoolfilms. Kann Parker nicht wenigstens originell sein?
Ich wechsle das Thema. »Was, schätzt du, ist der Plan
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