Chucks Welt

für die Abschlussfahrt?«
    »Hab läuten gehört, die wollen Paintballen«, sagt Steve.
    »Glaub ich nie im Leben. Wär aber irre!«
    In der Zeit, die noch bleibt bis zum College, freue ich mich auf nichts anderes als auf die Abschlussfahrt. Sie steigt immer gegen Schuljahresende, ein paar Wochen vor dem Abschlussball. Der Schülerrat beschließt, was gemacht wird, und weil es die Tradition schon so lange gibt, drückt die Schulleitung alle Augen zu, obwohl es kein offizielles Schul-Event ist. In erster Linie geht es darum, über Nacht wegzubleiben. Was das Ganze so super macht: Alle, aber auch wirklich alle aus der Abschlussklasse machen außerhalb der Schule etwas zusammen. Die Nerds gehen hin, die Coolen und Beliebten gehen hin, sogar Steve und ich gehen hin. Der Jahrgang vor uns hat in einem Freizeitpark gefeiert, ein anderer war in einer Lasertag-Arena. Der Ort wird lange geheim gehalten und erst am Tag nach denWinterferien verkündet, vor der ersten Stunde. Ungelogen: Ich bin total aufgekratzt. Die blauen Chucks habe ich selten an, aber heute trage ich sie mit vollem Recht.
    Wir biegen auf den Parkplatz ein. Direkt neben Plainville liegt Westlake, ein noch kleinerer Ort, und die beiden Städte haben nur eine Highschool: die Plainville-West-Lake-JFK. Wenn man alles ausschreibt, heißt sie Plainville-West-Lake-John-Fitzgerald-Kennedy-Highschool. Der längste Schulname in der US-Geschichte. Hier haben Steve und ich viele Demütigungen erfahren. Aber heute bebt der PWLJFKHS-Schülerparkplatz vor gespannter Erwartung.

S teve hat recht: Die Titten von Stacey Simpson scheinen noch größer geworden zu sein. Als Sprecherin der Abschlussklasse steht sie mit den andern Typen vom Schülerrat in der Aula auf der Bühne. Auch der Rest der Klasse ist schon früher gekommen; wir schlendern herum und warten auf die Ankündigung. Steve kriegt mit, wie ich Stacey anglotze.
    »Ich sag’s doch«, wispert er. »Groß wie Melonen.«
    Ich würde alles geben, um Stacey nackt zu sehen. Oder überhaupt irgendein Mädchen, das nicht von einer Porno-Stream-Seite stammt. Obwohl ich mich echt angestrengt habe, es bleiben zu lassen, habe ich am ersten Januar wieder mit meiner Wichsliste angefangen. Keine Ahnung, warum ich so versessen darauf bin. Was ist bloß verkehrt mit mir? Und es kommt noch schlimmer: Ich hab mein Score vom letzten Jahr schon überboten. Jetzt hüpft Stacey auch noch auf und ab vor lauter Begeisterung, weil sie eine ihrer Freundinnen entdeckt hat. Whoa. Auf die Art habe ich wieder richtig gutes Bildmaterial, falls das Internet mal nicht läuft.
    Ich und Steve sind wie hypnotisiert. Doch unsere Trance nimmt ein jähes Ende, als Parker aufkreuzt. Er ist zwar nicht größer als ich, aber ein Muskelpaket. Und er trägt bei ausnahmslos jedem Wetterund jedem Anlass eine von diesen teilbaren Warm-up-Hosen mit Druckknöpfen an der Seite. Wenn ich Dad mal Gesellschaft leiste und mit halbem Auge eins von den NBA-Basketballspielen angucke, hocken da immer Spieler mit genau solchen Hosen auf der Bank und reißen sie sich einfach vom Leib, wenn sie eingewechselt werden. Kann also schon sein, dass solche Hosen cool sind   – wenn du bei der NBA bist.
    Parker rammt Steve im Vorbeilaufen mit dem Ellbogen, brummelt »Arschficker« und schlendert lässig zu den andern Supersportlern, alles in einer fließenden Bewegung. Ein echter Multitasking-Mobber.
    Steve scheint das wie immer ohne Mühe wegzustecken, aber ich fühle mich hilflos, ohnmächtig. Dass Parker mich vollkommen ignoriert, macht die Sache noch schlimmer. Fast wünsche ich mir, er würde mir auch eine reindrücken. Dann könnte ich mir zusammen mit Steve leidtun   – und es gäbe jemanden in der Schule, der meine Existenz wahrnimmt. Steve reibt sich den Arm. Vielleicht ist Ignoriertwerden doch besser. Wir setzen uns.
    Irgendwann stolziert Stacey zum Mikro auf der Bühne, heiß erwartet von den gut vierhundert Schülern der Abschlussklasse, die alle gespannt die Luft anhalten.
    »Hallo, ihr alle!«, zwitschert sie. »Heute ist der große Tag, wie ihr wisst: Heute wird enthüllt, was wir auf unserer Abschlussfahrt machen.«
    Alles jubelt und klatscht.
    »Es ist mir ein Vergnügen, euch zu verkünden, dass wir alle zusammen campen gehen! Wir übernachten auf dem Randall-Kaufman-Zeltplatz in West Lake. Wir machen Lagerfeuer, braten Würstchen und rösten Marshmallows   – und natürlich gibt’s auch was zum Trinken . Also kramt eure Schlafsäcke und Zelte raus, das wird