Chuzpe: Roman (German Edition)
lieber an die Arbeit«, sagte sie. »Die Freundinnen Ihres Vaters sind wundervoll«, sagte sie, als sie an Ruth vorbeikam. Ruth bemühte sich, nicht die Stirn zu runzeln.
»Sind sie nicht herrlich?« sagte Max, sobald Edek, Zofia und Walentyna den Raum verlassen hatten.
»Finden Sie?« sagte Ruth. Aber Max hörte sie nicht. Max war mitten in einem ausführlichen Monolog über Zofias und Walentynas Herrlichkeit.
»Sie sind so natürlich und so direkt«, sagte Max. »Man weiß sofort, wie arglos sie sind.« Ruth begann an Max’ Verstandeskräften zu zweifeln. »Walentynas Kleidung finde ich phantastisch«, sagte Max. »Sie sieht aus, als wäre die Mode einfach an ihr vorbeigegangen. Richtig süß.« Ruth fand, daß Walentyna keineswegs aussah, als wäre die Mode an ihr vorbeigegangen, sondern als wäre sie der Mode um Lichtjahre voraus – sie verkörperte den Heroinlook verhungerter Halbwüchsiger, ohne dafür künstlich zerrissene Säume und absichtlich ungeschlachte Nähte zu benötigen. »Ich glaube, sie werden sich hier beide gut einfügen«, sagte Max. Ruth wollte nicht darüber nachdenken, wie Zofia und Walentyna sich einfügten.
Wahrscheinlich würden sie sich gut einfügen, dachte Ruth, trotz Zofias zu gelben Haars. Ihr polnischer Akzent würde sie nicht ausgrenzen. In New York hatte jeder einen auffälligen Akzent. Warum beschäftigte sie das Gelb von Zofias Haaren? Es gab weitaus beunruhigendere Dinge an Zofia, mit denen man sich beschäftigen konnte, als dieses übertriebene Gelb. Es war gehässig und niveaulos von ihr, auf Zofias Haarfarbe herumzureiten. Was war aus den hehren Grundsätzen der Schwesterlichkeit und Unterstützung geworden, denen sie sich zusammen mit Sonia verschworenhatte? Den Grundsätzen, auf die sich die Frauengruppe berufen sollte, die sie zu bilden versucht hatte? Diese Grundsätze hatten sich in Luft aufgelöst, sobald Zofia in New York aufgetaucht war.
Im Hintergrund hörte Ruth Edek die Vorzüge des Staubsaugers mit eingebautem Navigationssystem preisen. Sie ging in ihr Zimmer zurück. Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Der neuentfaltete Aspekt von Edeks Leben war weitaus ablenkender und verstörender als das, was er angerichtet hatte, solange er die Vorwärtsabteilung leitete.
Edek riß die Tür zu ihrem Zimmer auf und klopfte danach. »Können wir reinkommen und uns verabschieden, Ruthie?« sagte er. Alle drei kamen in ihr Zimmer. »Ich habe Zofia und Walentyna gezeigt die Arbeit, was ich habe gemacht in der Vorwärtsabteilung.«
Ruth fiel auf, daß Edek im Perfekt sprach. Er hatte sich von seinem Job verabschiedet. Er hatte die Leitung der Vorwärtsabteilung offenkundig niedergelegt.
»Ich kann sehen, daß Edek diese Arbeit sehr gut macht«, sagte Walentyna. »Ich und Zofia haben noch nie einen Staubsauger gesehen, der sich ganz von allein bewegt.«
»Wahrscheinlich gibt es in Polen keine solchen Staubsauger«, sagte Edek.
»Edek, du bist sehr klug«, sagte Walentyna.
»Natürlich ist unser Edek sehr klug«, sagte Zofia.
Jetzt war er unser Edek. Es war Zofias erster Tag in Amerika. Ruth spürte Furcht vor dem, was sie erwarten mochte. Zofia hatte keine Zeit vergeudet. Ob sie noch weiter aufdrehen würde? Was würde sie innerhalb von einem Monat bewirkt haben? Ruth sah ihren Vater an. Er sah so fröhlich aus. Beinahe strahlend. »Seht euch diesen Taschenrechner an«, sagte er zu Zofia und Walentyna und zeigte ihnen den Hochleistungstaschenrechner mit zwölf Stellen nach dem Komma und zweifarbiger Anzeige auf Ruths Schreibtisch.»Ich habe gekauft diese Rechenmaschine für die Firma«, sagte er. »Ich habe gekauft einen für Ruthie und einen für Max.«
»Edek ist Ihnen sicher eine große Hilfe«, sagte Walentyna.
»Ja, das ist er«, sagte Ruth.
»Edek ist eine riesengroße Hilfe«, sagte Zofia. Zofia hatte vor dem Wort »riesengroß« eine Pause gemacht und das Wort nachdrücklich betont. Warum kam Ruth fast alles, was aus Zofias Mund kam, so doppeldeutig vor?
Ruth dachte über ihre letzte Frage nach. Warum hatte sie sie so formuliert? Warum dachte sie über Dinge nach, die aus Zofias Mund kommen konnten? Sie wollte nicht über Dinge nachdenken, die in Zofias Mund oder aus ihm heraus gelangten. Sie war der Ansicht, daß sie hypersensibel oder überängstlich war. Oder beides.
»Edek ist eine sehr große Hilfe«, wiederholte Zofia. »Das weiß ich«, sagte sie und blickte zu Edek.
»Ruthie, so eine Rechenmaschine macht alles in der Firma eine Menge viel
Weitere Kostenlose Bücher