Chuzpe: Roman (German Edition)
fuhr, bekam er eine Wahnsinnserektion und sagte: ›Sieh mal, was für eine Erektion ich habe.‹ Oder wenn ich zur Arbeit mußte, alles gepackt hatte und zum Flughafen flitzen wollte, lag er da und sagte: ›Rate mal, was los ist?‹ und senkte den Blick und hatte wieder diese Wahnsinnserektion.
Ich bekam Schuldgefühle, weil ich Sex mit Vögeln gleichsetzte«, sagte Georgia. »Und die hat er verstärkt. Er sagte immer wieder: ›Sex ist mehr als nur vögeln. Wir können so viele Dinge tun.‹ Und ich hatte eine Freundin, eine sehr gute und alte Freundin, die sagte, sie hätte nie in ihrem Leben besseren Sex gehabt als mit einem impotenten Typ.«
Ruth war entsetzt. »Hat Ihnen keine Freundin geraten, zuüberlegen, wie Sie sich aus dieser Beziehung befreien können?« fragte sie.
»Nicht so richtig«, sagte Georgia. »Eine Freundin sagte: ›Wer am Tisch sitzt, soll sich nicht über das Essen beschweren.‹ Eine andere Frau meinte, die Unfähigkeit meines Partners, mit mir zu schlafen, liege daran, daß er mich zu sehr liebe und ich nicht imstande sei, diese Liebe und Hingabe gebührend zu würdigen.« Ruth war fassungslos. »Bei allem, was ich tat, hatte ich Schuldgefühle«, sagte Georgia. »Schuldgefühle, weil ich nicht heiraten wollte. Schuldgefühle vor allem, weil ich vögeln wollte. Eine Freundin hat den Vogel abgeschossen. Sie sagte, es sei super, es mit einem impotenten Mann zu versuchen, es würde eine völlig neue Dimension eröffnen.« Georgias Stimme klang, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. »Meine Cousine hat gesagt: ›Er kriegt keinen hoch, und er hat kein Geld. Was willst du von ihm? Sieh zu, daß du ihn loswirst. Er ist eine Niete. Schick ihn weg.‹ Aber das kam mir damals zu gemein und unwürdig vor.
Wir sind zu einem Therapeuten gegangen. Wir haben diese ganzen Übungen gemacht. Das hat nichts genützt, und ich wurde immer unfähiger, Erregung zu empfinden. Unsere Beziehung ging den Bach runter. Allmählich dachte ich, daß ich ein Problem hätte. Daß ich keinen Sex haben konnte. Ich hatte seit ewigen Zeiten nicht mehr gevögelt. Ich kam mir langsam vor wie eine Jungfrau. Ich fürchtete mich vor Sex. Das war am schlimmsten. Ich konnte nicht mehr feucht werden.«
Es war tapfer von ihr, dachte Ruth, darüber zu sprechen. Ruth wußte, daß sie etwas sagen mußte. Schließlich wollte sie diese Frauengruppe unter anderem ins Leben rufen, um einen vertrauteren Kreis von Freundinnen herzustellen. Einen Kreis von Frauen, die enger miteinander verbunden sein sollten. »Ich konnte eine Zeitlang auch nicht mehr feuchtwerden«, sagte Ruth. »Ich bekam eine trockene Vagina, und das, als ich dachte, ich hätte die Menopause endlich überwunden. Ich habe es mit Eiweiß versucht. Es war ein Vorschlag meiner Gynäkologin. Es hat nicht funktioniert. Und wer hat schon Lust, vor dem Sex Eier zu trennen? Von der Anwendung ganz zu schweigen. Ich kann das niemandem ernsthaft empfehlen. Das meiste davon landet im Bett und auf dem Teppich. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, wenn ich das Eiweiß vorher zu Eischnee geschlagen hätte. Und irgendwie fand ich es auch ein bißchen gruselig, diesen Teil meines Lebens mit einem Huhn zu teilen, das ich nicht kannte.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. Ruth war froh, daß sie nicht gesagt hatte, daß vaginale Trockenheit auch als vaginale Atrophie bezeichnet wurde. Vaginale Atrophie klang noch schlimmer. Wenn schon ein Teil des eigenen Körpers atrophieren mußte, warum dann nicht der Nabel oder etwas anderes, was nicht weiter nützlich zu sein schien, dachte Ruth.
»Zuletzt habe ich eine ganz kleine Dosis Östrogen in Form von Vaginaltabletten genommen«, sagte Ruth schnell. Ihr war unwohl zumute. Sie wünschte, sie hätte Vaginas und Trockenheit und Eiweiß gar nicht erst aufgebracht. Sie versuchte, dem Gespräch eine medizinischere, weniger unappetitliche Wendung zu geben. »Die Vaginaltabletten sind einzeln in Einwegeinführhülsen verpackt und haben nur ein Fünfundzwanzigstel der Stärke einer normalen Hormontablette. Man führt sich zweimal wöchentlich eine ein. Es ist wirklich ganz leicht«, sagte sie munter im Bemühen, das Gespräch zu einem quietschend glatten Abschluß zu bringen.
»Was hast du gegen Zofia?« fragte Sonia Ruth. Sonia und Ruth hatten sich zum Abendessen getroffen. Ruth war froh,Sonia zu sehen. Sie hatte nach der Arbeit nicht nach Hause gehen wollen. Hier fühlte sie sich unter Menschen. Ihre eigene Welt war
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