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Chuzpe: Roman (German Edition)

Chuzpe: Roman (German Edition)

Titel: Chuzpe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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über verschiedene Penisse. Penisse kamen nicht im Dutzend. Sie kamen einzeln. Und waren mit einem Menschen verbunden. Für gewöhnlich mit einem Mann. Penisse traten nicht im Kollektiv oder in Gruppen auf. In Bündeln. Oder Sträußen. Mit einer Schleife zusammengebunden. Wie Rosen oder Tulpen. Man stellte sich Penisse nicht als Büschel oder Gebinde vor. Oder als Packen oder andere Einheiten männlichen Zubehörs. Man stellte sich Penisse nicht in Mengen und Portionen vor. Die Vorstellung einer Riesenmenge Penisse verstörte Ruth. Sie zuckte zusammen. Die Wörter Riesenmenge und Penis hätte sie nicht im selben Satz verwenden dürfen. Noch dazu unmittelbar nebeneinander. Die Verbindung von Penis und Riesenmengeerregte notgedrungen die Vorstellung riesiger Penisse. Erregte? Mußte sie ausgerechnet das Wort »erregen« benutzen? Riesige Penisse oder erregte Penisse waren kein Gedanke, mit dem sie sich in diesem Augenblick beschäftigen wollte. Beschäftigen? Sie mußte unbedingt an etwas anderes denken. In ihrem Kopf begannen sich riesige erregte Penisse zu drängen, die wollten, daß sie sich mit ihnen beschäftigte. Sonia kam zurück.
    »Die zwei Typen an der Bar schwadronieren gerade über Lesbierinnen und Penisse«, sagte Ruth. »Sie reden, als könnte man Lesbierinnen und Penisse über einen Kamm scheren. Das kann man aber nicht. Penisse sind kein Massenphänomen.« Sie hielt inne. Die Vorstellung von Penissen als Massenphänomen machte sie sprachlos. »Ich muß es anders formulieren«, sagte sie. Sonia lachte.
    »Ich kann Penisse nicht losgelöst oder als Gruppe betrachten«, sagte Ruth. »Für mich sind Penisse mit einem Gehirn und mit einem Körper verbunden. Wenn man an einen Penis denkt, sollte er zu einer Person gehören. Am besten zu jemandem, den man kennt.«
    »Ich kann an Penisse denken, ohne mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wem sie gehören«, sagte Sonia. »Ich stelle mir einfach vor, daß jemand ihn reinsteckt und wie gut sich das anfühlt.«
    «Du kannst dir vorstellen, daß jemand ihn reinsteckt und wie gut sich das anfühlt, während du zu Abend ißt?« sagte Ruth mit einem Blick auf die Lammedaillons und das Kartoffelpüree auf Sonias Teller.
    »Klar«, sagte Sonia. »Ich liebe dieses heftige Gefühl, wenn ein Penis in mich reingesteckt wird.«
    Ruth aß ein paar Bissen ihrer gedämpften Muscheln. Vielleicht hatte Sonia recht. Vielleicht war sie, Ruth, prüde. Sie fragte sich, ob es zu spät war, sich zu ändern. Sie fragte sich, ob sie daran denken konnte, wie Garth seinen Penis in siereinsteckte, statt sich Gedanken darüber zu machen, ob die Muscheln frisch waren oder nicht und ob jede Muschel auch aufgegangen war.
    »Diese heftige Lust, bei der einem fast schwindelig wird, habe ich mit Michael nicht«, sagte Sonia.
    »Das ist traurig«, sagte Ruth.
    »Vermutlich ist es das«, sagte Sonia.
    Ruth war überrascht. Sie hatte selten erlebt, daß Sonia über diesen Aspekt ihres Lebens nachdachte. Es war ein wenig verwirrend. Sonias Verkündigungen und Erklärungen, ihre Aussprüche und Verordnungen hatten etwas Liebenswertes. Ruth wollte nicht, daß Sonia zu nachdenklich wurde. Ihr gefiel Sonias Überzeugung, im Recht zu sein.
    »Mit der Frauengruppe mache ich keine großen Fortschritte«, sagte Ruth. »Eine der Frauen, die mitmachen wollte, hat gerade abgesagt.«
    »Das nennst du keine großen Fortschritte?« sagte Sonia. »Du trittst auf der Stelle.«
    Edek rief Ruth an. »Hallo, wie geht es meiner Tochter?« sagte er. Seine Stimme klang munter und fröhlich. Glücklich, wie Sonia gesagt hatte.
    »Mir geht es gut«, sagte Ruth. »Und dir?«
    »Mir geht es sehr gut«, sagte Edek. Ruth sah auf den Telefonhörer in ihrer Hand. Hatte sie richtig gehört? Hatte Edek gesagt: »Mir geht es sehr gut«?
    Ruth wußte, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Edek sagte nie: »Mir geht es sehr gut.« Seine Standardantwort auf die Frage nach seinem Ergehen lautete: »So gut, wie man kann erwarten.« Ruth hatte ihn noch nie sagen hören: »Mir geht es sehr gut.« Unruhe erfaßte sie. Sie ermahnte sich, Ruhe zu bewahren. Veränderungen waren kein Anlaß, sich aufzuregen. Veränderungen konnten etwas Positives bedeuten. Welche Veränderungen waren in Edeks Leben eingetreten?Die Ankunft von Zofia und Walentyna. Ruth war nicht der Ansicht, daß Zofias und Walentynas Ankunft etwas Positives bedeutete. Sie hatte mehr den Charakter eines Überfalls.
    »Ich hatte zu tun, Ruthie«, sagte Edek. »Ich habe besorgt

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