Chuzpe: Roman (German Edition)
ein Bankkonto für Zofia und für Walentyna. Ich habe gesprochen mit dem Bankmanager, damit das Geld, was Zofia und Walentyna haben auf der Bank in Polen, kommt auf die Bank in New York. Es kommt mit einem Telegramm.«
»Du meinst eine telegrafische Überweisung«, sagte Ruth.
»Richtig«, sagte Edek. »Ein Telegramm, was überweist Geld.«
»Zofia und Walentyna wollen ihr Geld nach New York überweisen?« sagte Ruth.
»Sowieso«, sagte Edek. »Ich habe auch besorgt eine Sozialversicherung für die beiden. Ich war mit Zofia und Walentyna bei der Behörde, was stellt aus solche Sozialversicherungsausweise. Und wir haben ausgefüllt den Fragebogen, und jetzt schicken uns die Leute, was machen die Sozialversicherung, die neuen Ausweise.«
»Du hattest viel zu tun«, sagte Ruth. Edek hatte alles perfekt organisiert. Als hätte er es schon seit langem geplant.
»Ich möchte, daß du mir tust einen Gefallen, Ruthie«, sagte Edek. »Ich möchte, daß du besorgst die Krankenversicherung für Zofia und Walentyna.«
»Das ist sehr kompliziert«, sagte Ruth. »Ich habe lange gebraucht, um eine Krankenversicherung für dich abzuschließen.«
»Ich weiß, daß es nicht leicht ist«, sagte Edek. »Deshalb frage ich dich. Du weißt doch alles.«
»Und wer bezahlt?« fragte Ruth.
»Natürlich ich helfe ihnen ein bißchen«, sagte Edek. »Sie kommen aus Polen, und in Polen niemand hat eine Menge Geld.«
»Inzwischen schon«, sagte Ruth.
»Aber nicht Zofia und Walentyna«, sagte Edek. »Deshalb ich helfe ihnen ein bißchen.«
Edek schien vergessen zu haben, daß nicht er Zofia und Walentyna ein bißchen half, sondern Ruth. Sie hatte ihn schon mehrmals daran erinnert. Sie wollte es nicht schon wieder tun. Sie wollte seine Hilfe nicht schmälern.
»Ich werde mich um die Krankenversicherung kümmern«, sagte Ruth.
»Ich wußte, daß man sich auf dich kann verlassen, Ruthie, du bist ein braves Mädchen«, sagte Edek.
Ruth kam sich nicht wie ein braves Mädchen vor. Sie kam sich nicht wie ein Mädchen vor. Und nicht brav. Sie war schrecklich aus dem Häuschen wegen Zofia und Walentyna. Das ganze Telefongespräch über hatte sie ihren Kiefer zusammengebissen und ihren Nacken verspannt. Und jetzt schmerzten Kiefer und Nacken.
»Warum können wir keine Songtexte auf unseren Karten verwenden?« sagte Max zu Ruth. »Warum können wir nicht auf einer Karte stehen haben: Baby let me light your fire ?« Max war von ihrer Idee begeistert. Aufgeregt.
»Ich glaube, Jim Morrison kann das für uns singen«, sagte Ruth, »aber wir können auf einer Karte für Jim Brown oder Jim Rosenblatt nicht schreiben: Baby let me light your fire . Auf einer Karte von einer Frau könnten diese Worte provozierend klingen, wenn nicht gar anrüchig. Und seitens eines Manns wäre es alles andere als sensibel, um nicht zu sagen ziemlich doof. Außerdem können wir keine Songtexte verwenden, weil es viel zu teuer wäre. Vorausgesetzt, der Rechteinhaber würde uns überhaupt die Genehmigung erteilen. Es ist zu kompliziert. Und Songtexte lassen sich nicht ohne weiteres auf Karten übertragen.«
Max sah niedergeschlagen drein.
»Können Sie sich vorstellen, jemandem eine Karte zu schicken, auf der steht: Shall we dance? « sagte Ruth. »Ja, das wäre tatsächlich nicht übel. Sogar großartig. Wenn man die Karte aufklappt, stünde innen nur ein einziges Wort. Zum Beispiel: Wann? «
Max faßte wieder Mut. »Ich wußte, daß es eine gute Idee ist«, sagte sie.
»Es ist eine gute Idee«, sagte Ruth, »aber nicht praktikabel. Wir müssen entweder ein Vermögen für das Copyright zahlen, oder man erlaubt uns nicht, die Songtexte zu zitieren. Wissen Sie, woher die Worte Shall we dance? kommen?« fragte sie Max.
»Nein«, sagte Max.
»Das dachte ich mir. So etwas ist generationsabhängig. Sie stammen aus dem Musical Anna und der König von Oscar und Hammerstein«, sagte Ruth.
Wollen wir tanzen? Ruth hatte diese Worte immer als Einladung aufgefaßt. Als Einladung, frei zu sein. Als Einladung, Grenzen, Einengung und Beschränkung zu überschreiten. Als Einladung, glücklich zu sein. Als Einladung zu lieben. Sie dachte darüber nach. Wollen wir tanzen? Es waren nur drei Wörter. Drei gewöhnliche Wörter. Sie dachte sich, daß man auf diese drei Wörter vielleicht kein Copyright erwerben konnte. Sie machte sich eine Notiz, daß sie Sonia fragen wollte.
Ruth probierte gerade eine Karte aus. Eine Karte, die Studienabgänger, die noch auf der Suche nach einer
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