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Chuzpe

Chuzpe

Titel: Chuzpe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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„bin heute Nacht gar nicht ins Bett gegangen. Ich war bis weit nach Mitternacht auf einer Sitzung, und danach bin ich in die Druckerei gegangen, um ein Flugblatt zu hektographieren. Das haben wir dann mit einem Lastwagen zu den einzelnen Bezirkskomitees gebracht, und ehe ich es mich versah, war es vier Uhr morgens. Ich bin zurück in die Druckerei, und dort habe ich zwei oder drei Stunden am Schreibtisch geschlafen. Und insofern bin ich wohl auch müde.“
    Bronsteins Miene signalisierte nun Mitgefühl. Jelka fasste einen Entschluss: „Wir sollten nach Hause gehen.“ Sie dämpfte die Zigarette aus und stand auf. Mühsam zog sie sich ihrenMantel wieder an, dann schlenderte sie langsam zur Theke, um die Rechnung zu begleichen.
    Bronstein, der ihr gefolgt war, hielt ihr einige Münzen hin. „Vergiss es, du bist eingeladen. Hier bist du mein Gast.“ Sie hakte sich bei Bronstein unter und schleppte ihn aus dem Lokal. Sie traten auf den Platz und fühlten sich ob der Eiseskälte sogleich wieder einigermaßen ernüchtert. Mit schnellen Schritten eilten sie an der Kirche vorbei auf Jelkas Haustor zu. Schon im Laufen hatte sie ihren Haustorschlüssel aus der Tasche geholt, sodass sie im Handumdrehen in dem Gebäude waren. Dort mussten sie sich tastend fortbewegen, da der Flur in völliger Dunkelheit lag. „Die Treppe ist rechts“, flüsterte Jelka, „wir müssen in den dritten Stock.“ Behutsam setzten sie Fuß vor Fuß und passierten so die erste und die zweite Etage. Endlich in der dritten angekommen, suchte Jelka das Schlüsselloch und sperrte die Wohnungstür auf. „Streichhölzer“, zischte sie. Gleich hinter der Tür befand sich eine Kommode, auf der mehrere Kerzen standen. Diese zündete sie an, sodass die Wohnung leidlich beleuchtet war.
    Bronstein befand sich in einer Küche, die etwa zwei Meter breit und sechs Meter lang war. Der Kommode gegenüber stand ein großer schwarzer Kanonenofen, dessen Abzugsrohr wuchtig nach oben strebte. Knapp unter der Decke machte es einen Knick und verschwand dann wenige Zentimeter weiter in der Wand. Auf der Ofenseite der Küche erkannte Bronstein weiters eine Spüle, eine Arbeitsplatte, unter der ein langes Tuch angebracht war, einen Sparherd und einen kleinen Tisch, dem zwei Sessel Gesellschaft leisteten. Die Kommodenseite wurde von einer Tür durchbrochen, die in Jelkas Wohn- und Schlafzimmer führte. Gegenüber dem Herd stand eine Kredenz, in der Jelka wohl ihr Geschirr aufbewahrte, während hinter dem Tuch vemutlich sonstige Haushaltsgeräte versteckt waren. Eine Waschschüssel vielleicht, oder ein Kübel. Dinge des täglichenBedarfs, die aber nicht unbedingt auf den ersten Blick zu sehen sein sollten, dachte Bronstein.
    Jelka nahm die Kerzen in die Hand und ging in ihr Zimmer, wobei sie Bronstein bedeutete, er möge ihr folgen. Dieser Raum wies im Gegensatz zur Küche zwei Fenster auf. Bronstein schätzte die Maße dieses Zimmers auf etwa fünf mal sechs Meter. In der Ecke, die sich der Tür schräg gegenüber befand, stand ein großes, hohes Bett, an welches sich ein Nachttisch schmiegte. In Respektsabstand folgte ein Bücherregal, das vor Druckwerken nahezu überquoll, wie Bronstein in dem matten Kerzenschein erkannte. Rechs von der Tür füllte ein riesiger, schwerer Eichenschrank den Platz aus, von dem Bronstein annahm, dass er Jelkas Gewand enthielt. Links von der Tür hatte ein Schreibtisch seinen dauernden Aufenthalt, und zwischen den Fenstern sorgte eine größere Topfpflanze für ein wenig Grün. In der Mitte des Raumes thronte auf einem Orientteppich ein runder Tisch, um den vier dunkle Stühle gruppiert waren. Bronstein sah sich nochmals in Ruhe um und fand sich mit der Erkenntnis ab, dass er die Nacht auf dem Teppich würde verbringen müssen, denn die Wohnung wies weder Diwan noch Fauteuil auf.
    „Magst du noch eine Tasse Tee, bevor wir schlafen gehen?“
    „Angesichts der Temperaturen wär das keine schlechte Idee.“
    „Ja, du hast recht. Ich muss einheizen. Ich hoffe, ich finde noch etwas Brennstoff.“
    Jelka verschwand in der Küche, während sich Bronstein langsam auf einen der vier Sessel sinken ließ. Er zog den übervollen Aschenbecher, der in der Mitte des Tisches postiert gewesen war, zu sich herüber und zündete sich eine weitere Zigarette an. Besser, er dachte gar nicht weiter über seine gegenwärtige Lage nach.
    Jelka kam mit zwei Tassen Tee in den Händen ins Zimmer zurück und stellte sie auf dem Tisch ab. Sie zog den Mantel ausund

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