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Chuzpe

Chuzpe

Titel: Chuzpe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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sogar noch schlimmer. Verklemmte Gestalten, die sich daran begeistern, andere zu kujonieren.“
    Instinktiv wollte Bronstein widersprechen. Doch ihm war nicht nach einem Streit. Dafür nahm ihn Jelka viel zu sehr für sich ein. Er wollte nicht darüber debattieren, ob die Polizei nun gut oder schlecht war, ihn interessierte diese faszinierende junge Frau, die ihm gegenübersaß. „Wie auch immer“, sagte er daher nur, „bleiben wir beim Thema. Du hast mir noch nicht gesagt, was du machst, wenn du nicht gerade Revolution machst.“
    „Du, es gibt so viel zu tun, es vergeht kein Tag ohne Sitzungen. Gerade in so revolutionären Tagen wie jetzt. Selbst heute Abend müsste ich eigentlich in einem Komitee mitarbeiten. Aber ich habe mich absentiert – für dich.“
    Dieses „für dich“ klang direkt zärtlich, fand Bronstein, und er fühlte, wie sein Mut wuchs. Er setzte nach: „Und wenn doch einmal die Parteiarbeit ruht, was machst du dann? Gehst du in die Lichtspiele? Oder ins Theater? Gehst du manchmal in die Wälder, und wenn ja, gehst du dort alleine hin, weil du einfach nur Kraft tanken willst, oder bist du bei den Wandervögeln oder wie immer die genau heißen? Was gibt es über Jelka, den Menschen, zu erzählen?“
    „Ja, ins Theater gehe ich schon ab und zu. Aber es findet sich so selten jemand, der mit mir geht. Die Genossen haben es nicht so mit der Kultur.“
    „Sag bloß, die stehen nicht Schlange, um mit dir …“ Bronstein biss sich auf die Lippe. Er hatte sich verplappert. Ein Satz wie dieser war ein schwerer Fehler und konnte alles zunichte machen, was in der bisherigen Unterhaltung für ihn gesprochen haben mochte.
    Doch Jelka, die zwischenzeitlich den dritten Slibowitz orderte, stieß Bronstein nur neckisch mit dem Finger an: „Die stehen schon Schlange, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Aber nicht fürs Theater, wenn du verstehst, was ich meine.“
    Na bitte! Das war’s dann! Was hatte er sich auch gedacht! Eine Frau, die so schön, so klug und dabei doch so jung war, die konnte einfach nicht alleinstehend sein, das war doch sonnenklar. Wie konnte er nur so naiv sein und glauben, diese Person sei an ihm als Mann interessiert? Für jemanden wie Jelka war er alles andere als standesgemäß, das hätte ihm von Anfang an klar sein müssen. Und er hatte doch tatsächlich gemeint, sie treffe sich mit ihm, weil sie Gefallen an ihm – an ihm! – gefunden habe. Was war er doch für ein Narr! Zum Glück hatte auch er einen dritten Slibowitz bestellt, den trank er angesichts dieser ernüchternden Erkenntnis in einem Zug aus. Er knallte das Glas auf den Tisch und überlegte dabei, wie er am besten den geordneten Rückzug antreten konnte.
    Jelka war die Veränderung in Bronsteins Gesicht nicht entgangen. Sie legte ihre Hand auf seinen Unterarm. Dabei ging ihr Kopf nach vor, sodass sie ihn von unten her ansah: „Was ist, Kieberer? Verstehst keinen Spaß?“
    „Was soll das jetzt heißen?“, fragte er mit bitterer Miene.
    „Na, pflanzt hab ich dich, du Dummerl. Glaubst du, ich hab Zeit für so etwas. Ein Gspusi unter Genossen! Pfff, desbrauch i wie an Kropf.“ Und Bronstein schöpfte wieder neue Hoffnung.
    „Herr Wirt, noch eine Runde!“, rief er, wobei ihm nicht entging, dass seine Zunge schon ein wenig schwerfällig geworden war. Er musste aufpassen, sonst wurde er am Ende noch betrunken. Und damit, das stand außer Zweifel, würde er keinesfalls einen guten Eindruck machen. Sein Blick fiel auf die große Wanduhr über der Schank. Es ging hart auf zehn Uhr abends zu. Zum Glück hatte er am Wochenende dienstfrei, und bis Montag würden sich die Folgen eines allfälligen Rausches schon verflüchtigt haben. Der Kellner stellte zwei Gläser Slibowitz auf den Tisch.
    „Es ist lange her, dass ich im Theater war“, begann Bronstein vorsichtig.
    „Bei mir auch“, bekannte Jelka, „dann gehen wir einmal gemeinsam hin, würde ich sagen.“
    Ihr Lächeln ließ Bronsteins Mut weiter wachsen. „Ich studiere bei Gelegenheit das Theaterprogramm“, gab er zurück und erwiderte dabei ihr Lächeln. „Na dann, auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Prost!“
    Jelka und Bronstein schickten sich eben an, anzustoßen, als abrupt das Licht ausging. „Na, ned scho wieder“, hörten sie in der Dunkelheit den Wirt fluchen. Gleich darauf ertönte ein schepperndes Geräusch. Der Kellner war im Dunkeln gegen einen Gegenstand geprallt und hatte dabei sein Tablett fallen lassen. „Das E-Werk hat sicher

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