CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Unfähigkeit im Jahr 2002, den wahren Zustand des irakischen Waffenarsenals zu erkennen, war in etwa vom gleichen Kaliber.
Auf McCones Drängen wurde immerhin die Lücke bei der Luftraumüberwachung Kubas geschlossen. Im Morgengrauen des 14.Oktober flog eine U-2 mit dem Air-Force-Piloten Major Richard D. Heyser vom Strategischen Luftkommando über den Westen der Insel und schoss innerhalb von sechs Minuten 928 Fotos. Vierundzwanzig Stunden später erblickten die Auswerter der CIA auf den Bildern die größten kommunistischen Waffen, die sie je gesehen hatten. An diesem 15.Oktober unterzogen sie den ganzen Tag lang die von der U-2 mitgebrachten Bilder einem eingehenden Vergleich mit Aufnahmen, die von sowjetischen Raketen bei den Maiparaden durch die Moskauer Innenstadt gemacht worden waren. Sie durchforsteten Betriebshandbücher mit technischen Spezifikationen, die Oleg Penkowski, ein Oberst des sowjetischen Geheimdienstes, im Laufe des Vorjahres außer Landes geschafft hatte. Vier Monate lang hatte er den Kontakt zur CIA gesucht, aber deren Agenten waren zu unerfahren, zu argwöhnisch und auch zu ängstlich, um sich mit Penkowski einzulassen. Schließlich kontaktierte er die Briten, die dann in Abstimmung mit der CIA in London mit Penkowski zusammenarbeiteten. Unter großer Gefahr hatte er an die fünftausend Blatt Dokumente aus dem Land herausgeschmuggelt, von denen der größte Teil einen Einblick in die Militärtechnologie und Militärdoktrin der Sowjetunion lieferte. Penkowski tat das aus freien Stücken, er war der erste sowjetische Spion von Bedeutung, mit dem die CIA überhaupt aufwarten konnte. Exakt eine Woche, nachdem die U-2-Aufnahmen in Washington eingetroffen waren, wurde Penkowski vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet.
Am späten Nachmittag des 15.Oktober hatten die mit der Auswertung der Fotos betrauten Wissenschaftler endlich herausgefunden, dass darauf SS-4-Mittelstreckenraketen abgebildet waren, die einen Sprengkopf mit der Sprengkraft einer Megatonne vom Westen Kubas nach Washington transportieren konnten. Präsident Kennedy hielt sich währenddessen zur Unterstützung des Wahlkampfs von Kandidaten der demokratischen Partei für die drei Wochen später bevorstehenden Senatswahlen gerade in New York auf. Am gleichen Abend gab McGeorge Bundy in seinem Haus ein Abschiedsessen für den frisch ernannten US-Botschafter in Frankreich, Chip Bohlen. Gegen 22 Uhr klingelte das Telefon. Am Apparat war Ray Cline, stellvertretender Direktor des Nachrichtendienstes. »Also, das, was uns solche Sorgen gemacht hat – es sieht so aus, als hätten wir wirklich was in der Hand«, meinte Cline.
Am 16.Oktober um 9 Uhr 15 legte Richard Helms die U-2-Fotos dem Justizminister in dessen Büro vor. »Kennedy stand vom Schreibtisch auf und starrte einen Augenblick aus dem Fenster«, erinnert sich Helms. »Er drehte sich um und sah mich an. ›Verdammt, verdammt‹, sagte er vernehmlich und hob dabei beide Fäuste zur Brust, als ob er ein Schattenboxen beginnen wolle. ›Das ist ein gottverdammter Mist.‹ Genau das waren auch meine Empfindungen.«
Robert Kennedys Gedanke war: »Chruschtschow hatte uns irregeführt, aber auch wir selbst hatten uns getäuscht.«
19 »Wir wären überaus froh , diese Raketen
eintauschen zu können«
Die CIA hatte sich selbst reingelegt, weil sie nicht glauben konnte, dass die Sowjets je Atomwaffen nach Kuba bringen würden. Nun, da man die Waffen mit eigenen Augen gesehen hatte, konnte man die Denkweise der Russen immer noch nicht begreifen. »Ich verstehe ihren Standpunkt nicht«, beschwerte sich Kennedy am 16.Oktober. »Für mich bleibt das ein verdammtes Geheimnis. Ich weiß zu wenig über die Sowjetunion.«
Zu diesem Zeitpunkt war erneut General Marshall Carter amtierender CIA-Direktor, da McCone zum Begräbnis des Sohnes seiner neuen Frau, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, nach Seattle geflogen war. Carter begab sich um 9 Uhr 30 mit neuen Vorschlägen zu Geheimangriffen auf Kuba, die Robert Kennedy in Auftrag gegeben hatte, zu einer Sitzung der (erweiterten) Special Group in den Lageraum, einer unter dem Weißen Haus eingerichteten Kommandostelle. Carter, der in Privatgesprächen die Haltung Kennedys auf den Besprechungen über das Mongoose-Projekt mit dem Wüten eines kläffenden Terriers verglichen hatte, hörte jetzt wortlos zu, wie der Justizminister acht neue Sabotageaktionen genehmigte, die allerdings noch das grüne Licht des Präsidenten benötigten.
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