CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
die Sache zu einer Entscheidung zu bringen. Kennedy initiierte eine mit 2 Millionen Dollar ausgestattete Kampagne, mit deren Hilfe Jagan schließlich aus dem Amt gejagt wurde. Dem britischen Premierminister Harold Macmillan gegenüber erklärte Kennedy später: »Lateinamerika war die gefährlichste Gegend der Welt. Hätten wir einen kommunistischen Staat in Britisch-Guyana gehabt, dann wäre die unmittelbare Folge gewesen (…), dass in den Vereinigten Staaten ein zwingender Druck im Sinne eines Militärschlags gegen Kuba entstanden wäre.«
Bei der gleichen Sitzung vom 15.August, auf der Jagans Schicksal besiegelt wurde, überreichte McCone dem Präsidenten die neue CIA-Doktrin zur so genannten Counterinsurgency oder Aufstandsbekämpfung. Daneben händigte er ihm ein zweites Dokument aus, in dem die in elf Ländern – Vietnam, Laos und Thailand, Iran und Pakistan, Bolivien, Kolumbien, Dominikanische Republik, Ecuador, Guatemala und Venezuela – laufenden verdeckten Operationen aufgeführt waren. Das Dokument war »äußerst geheim, weil darin sämtliche schmutzigen Tricks aufgeführt sind«, erläuterte McCone seinem Präsidenten. »Eine prächtige Sammlung und ein Repertoire Ihrer Verbrechen«, kommentierte Bundy mit einem Lachen.
Am 21.August erkundigte sich Robert Kennedy bei McCone, ob er einen Scheinangriff auf die US-Militärbasis Guantánamo Bay inszenieren könne, als Vorwand für eine Invasion der amerikanischen Streitkräfte auf Kuba. McCone machte Bedenken geltend. In einer privaten Unterredung mit dem Präsidenten tags darauf äußerte er, dass eine Invasion ein fataler Fehler sein könne. Zum ersten Mal machte er den Präsidenten darauf aufmerksam, dass die Sowjets dabei sein könnten, Mittelstreckenraketen auf Kuba aufzustellen. Falls dies der Fall sei, könnte ein amerikanischer Überraschungsangriff einen Atomkrieg auslösen. Er plädierte dafür, die amerikanische Öffentlichkeit von der Wahrscheinlichkeit einer sowjetischen Raketenbasis in Kenntnis zu setzen. Der Präsident sprach sich umgehend gegen diesen Vorschlag aus, stellte aber vernehmlich die Frage, ob CIA-Guerillas oder auch US-Truppen nötig seien, um die Raketenstellungen zu zerstören – wenn sie denn existierten. Zu diesem Zeitpunkt war niemand außer McCone der Ansicht, dass das der Fall sei.
Die Unterredung wurde am 22.August kurz nach 18 Uhr im Oval Office fortgesetzt, wobei General Maxwell Taylor hinzustieß, dem Kennedy unter den Generälen das größte Vertrauen schenkte. Der Präsident wollte zunächst zwei andere Geheimoperationen erörtert haben, bevor über Kuba gesprochen wurde. Als Erstes den in Ausarbeitung befindlichen Plan, in der folgenden Woche über dem chinesischen Festland zwanzig nationalchinesische Soldaten abzusetzen. Nach dem zweiten Plan sollte die CIA die Telefone von Mitgliedern der Washingtoner Journalistenvereinigung anzapfen.
»Wie verfahren wir mit dieser Geschichte in der Baldwin-Sache?«, fragte der Präsident in die Runde. Vier Wochen zuvor hatte nämlich Hanson Baldwin, ein über nationale Sicherheitsfragen berichtender Journalist der New York Times , einen Artikel über Maßnahmen der Sowjets veröffentlicht, die Startrampen der Interkontinentalraketen durch Betonbunker zu schützen. Baldwins äußerst detaillierter Bericht gab die Darstellung der jüngsten CIA-Lageeinschätzung exakt wieder.
Kennedy wies McCone an, eine interne Task Force aufzustellen, um den Fluss von geheimen Nachrichten aus der Regierung zur Presse zu unterbinden. Diese Anweisung war ein Verstoß gegen die CIA-Satzung, die das Ausspähen von Mitarbeitern des Dienstes ausdrücklich verbietet. Lange vor der von Nixon geschaffenen »Plumbers-Unit«, einer Truppe aus CIA-Veteranen, die sich darum kümmern sollten, Informationslecks zu unterbinden, benutzte also schon Kennedy die CIA zum Ausspähen amerikanischer Bürger.
»Die CIA ist absolut einverstanden mit (…) der Aufstellung einer solchen Task Force, die als kontinuierlich ermittelndes Team mir berichten wird«, teilte McCone dem Präsidenten später mit. Entsprechend behielt die CIA in den Jahren von 1962 bis 1965 Baldwin, vier weitere Journalisten und deren Quellen im Auge. Mit seiner Anweisung an den CIA-Direktor, ein Programm zur internen Überwachung durchzuführen, schuf Kennedy einen Präzedenzfall, dem spätere Präsidenten wie Johnson, Nixon und George W. Bush nacheifern sollten.
Bei immer noch derselben Sitzung im Weißen Haus kehrten die
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