CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Spitzenwert in Sachen Fehlurteil vierzig Jahre bestehen, bis sich die CIA daranmachte, den Stand des irakischen Waffenarsenals einer Prüfung zu unterziehen.
McCone vertrat als Einziger eine andere Ansicht. Am 20.September, im letzten seiner Telegramme von der Hochzeitsreise an die CIA, drängte er den Dienst, die Angelegenheit zu überdenken. Die mit der Auswertung betrauten Wissenschaftler stöhnten auf, aber sie warfen dann doch noch einmal einen Blick auf eine mindestens eine Woche alte Mitteilung eines Verkehrsbeobachtungspostens, eines Kubaners von der untersten Stufe der Geheimdiensthierarchie. Er hatte berichtet, dass ein Konvoi von etwa zwei Meter hohen sowjetischen Sattelschleppern eine geheimnisvolle und mit Planen abgedeckte Ladung in der Größe von dicken Telefonmasten nahe der Stadt San Cristóbal durch die kubanische Landschaft transportiere. »Ich habe seinen Namen nie erfahren«, erzählt der CIA-Mann Sam Halpern. »Dieser eine Agent, das einzig anständige Ergebnis der ganzen Operation »Mongoose«, dieser Agent also teilte uns mit, dass etwas Merkwürdiges im Gange war (…) Und nach zehntägiger Überzeugungsarbeit vor dem Ausschuss für Luftüberwachung wurde uns schließlich ein Überflug zugebilligt.«
Am 4.Oktober – er war zurück auf seinem Kommandoposten – tobte McCone vor Zorn darüber, dass das Weiße Haus U-2-Flüge verboten hatte. Fast fünf Wochen lang hatte es keine Spionageflüge über Kuba gegeben. Bei einem Treffen der (erweiterten) Special Group mit Robert Kennedy »kam es zu einer turbulenten Diskussion (die sogar recht hitzig wurde)« über die Frage, wer die Flüge abgesetzt habe. Natürlich war es der Präsident gewesen. Robert Kennedy räumte die Notwendigkeit von mehr Geheimdienstinformationen über Kuba ein, meinte aber, dass der Präsident zunächst und vor allem mehr Sabotageakte wünsche. »Er hat darauf gedrängt, dass ›massive Aktionen‹ durchgezogen werden.« Er verlangte von McCone und Lansdale, Agenten nach Kuba zu schicken, die die Häfen verminen und kubanische Soldaten zum Verhör in die USA verschleppen sollten. Dieser Befehl führte schließlich zu einem letzten »Mongoose«-Einsatz im Oktober, bei dem etwa fünfzig Spione und Saboteure auf dem Höhepunkt der Atom-Krise in einem U-Boot nach Kuba entsandt wurden.
Während der US-Geheimdienst rotierte, wurden am 4.Oktober neunundneunzig sowjetische atomare Sprengköpfe unbemerkt nach Kuba verbracht. Jeder einzelne Kopf hatte eine Sprengkraft, die siebzig Mal größer war als die der Bombe, die Harry Truman über Hiroshima hatte abwerfen lassen. Klammheimlich hatten sich die Sowjets in die Lage versetzt, den Vereinigten Staaten einen doppelt so großen Schaden zufügen zu können wie vordem. Am 5.Oktober begab sich McCone ins Weiße Haus, um deutlich zu machen, dass die Sicherheit des Landes von weiteren U-2-Flügen über kubanischem Luftraum abhänge. Bundy bemerkte süffisant, er sei überzeugt, dass keine Bedrohung vorliege – und falls doch, sei die CIA nicht in der Lage, sie zu orten.
»Eine nahezu vollständige geheimdienstliche Überraschung«
Die Entdeckung der Raketen durch die CIA zehn Tage später ist als ein Triumph dargestellt worden. Aber von den Männern, die damals an den Schalthebeln saßen, sahen das nur wenige so.
So heißt es in einem einige Monate später veröffentlichten Bericht des präsidialen Beraterstabs für Auslandsspionage: »Die nahezu vollständige geheimdienstliche Überraschung, die die Vereinigten Staaten mit dem Antransport und der Aufstellung sowjetischer Interkontinentalraketen auf Kuba erlebt haben, beruht größtenteils auf einer Störung im Ablauf des Analyseverfahrens, in dem geheimdienstliche Informationen bewertet und aufbereitet werden.« Der Präsident sei von der CIA »schlecht bedient« worden; ihr sei es nicht gelungen, »den entscheidenden Personen in der Regierung« vom Tun und Treiben der Sowjets auf Kuba »ein möglichst exaktes Bild zu vermitteln«. Das Gremium war der Ansicht, dass »die Stationierung von Geheimagenten auf Kuba unzureichend war« und dass »die fotografische Überwachung des Luftraums nicht in vollem Umfang genutzt wurde«. Die Schlussfolgerung lautete: »Die Art und Weise, wie im Fall Kuba mit den Geheimdienstinformationen verfahren wurde, dürfte einer der größten Schwachpunkte gewesen sein, der, falls er nicht behoben wird, schwerstwiegende Folgen haben dürfte.«
Die Schwachpunkte wurden nicht behoben. Noch die
Weitere Kostenlose Bücher