CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
endgültige Zusammenbruch wäre? (…) Es gibt die Blockade ohne jede Kriegserklärung. Es gibt die Blockade mit Kriegserklärung. Wir haben die Angriffsoptionen eins, zwei und drei. Wir haben die Invasion.«
An diesem Tag konnte McCone auf zwei Stimmen zählen, die sich für sein Blockadekonzept unter Androhung eines Angriffs aussprachen, die von Eisenhower und die von Robert Kennedy. Beide hatten sich McCones Position zu eigen gemacht. Sie waren nach wie vor in der Minderheit, aber sie bewirkten einen Stimmungswechsel. Auch der Präsident meinte, als er allein gegen Mitternacht im Oval Office saß und direkt in die versteckten Mikrofone sprach, dass »die Meinungen offensichtlich von den Argumenten für einen Erstschlag abgerückt sind«. Am Sonntag rief er McCone zu Hause an, um ihm mitzuteilen, wie dieser zufrieden anmerkt, dass »er sich entschieden habe, den Kurs zu verfolgen, zu dem ich geraten hatte«. Seine Entscheidung teilte Präsident Kennedy der Welt in einer Fernsehansprache am Montagabend mit. Es war der 22.Oktober.
»Ich hätte ’ne Amtsenthebung am Hals«
Der Dienstagmorgen des 23.Oktober begann im Weißen Haus mit einem Vortrag McCones. Da den Kennedy-Brüdern eindringlich bewusst war, welchen politischen Schaden der CIA-Direktor ihnen zufügen konnte, war er doch der einzige Mensch in Washington gewesen, der äußerst präzise vor der Bedrohung gewarnt hatte, schickten sie ihn auf Informationstour, auf der er Kongressabgeordnete und Zeitungsjournalisten instruieren sollte. Auch wünschten sie, dass er UN-Botschafter Adlai Stevenson, der die amerikanische Position vor der UN-Vollversammlung zu vertreten hatte, den Rücken stärke.
Aus dem Weißen Haus telefonierte McCone mit Ray Cline, seinem obersten Nachrichtenauswerter, und schickte ihn mit Abzügen der U-2-Fotos nach New York. Stevensons Mitarbeiter seien »in einigen Schwierigkeiten, die Angelegenheit vor dem Sicherheitsrat überzeugend darzustellen«, sagte er ihm zur Erklärung. »Sie sind ein bisschen in Verlegenheit, weil Stevenson zur Zeit der Schweinebuchtgeschichte, nun ja, Stevenson hat damals ein paar gefälschte Fotos herumgezeigt, die sich später auch als gefälscht erwiesen haben.«
Danach trafen sich Kennedys zwölf Spitzenleute für die Nationale Sicherheit, um zu erörtern, wie die Blockade, deren Beginn auf den nächsten Morgen festgesetzt war, ablaufen solle. Genau genommen war es eine Kriegshandlung. McCone gab Gerüchte aus den Fluren der UN wieder, die Ray Cline ihm mitgeteilt hatte, dass die sowjetischen Schiffe mit Kurs auf Kuba möglicherweise an den amerikanischen Kriegsschiffen vorbeisteuern würden.
»Was also werden wir morgen früh tun, wenn diese acht Schiffe einfach weiterdampfen?«, fragte der Präsident. »Ist allen klar« – eine kurze Pause des Schweigens, ein nervöses Räuspern –, »wie wir die Sache handhaben müssen?«
Keiner hatte eine Ahnung. Wieder trat ein kurzes Schweigen ein.
»Wir schießen ihnen das Steuer weg, oder nicht?«, gab McCone zur Antwort.
Die Besprechung war zu Ende. Kennedy unterzeichnete die Erklärung zur Verhängung der Blockade. Danach waren er und sein Bruder für ein paar Minuten allein im Kabinettssaal.
»Na ja«, sagte der Präsident, »sieht ganz so aus, als ob es eine wirklich eklige Geschichte würde. Andererseits gibt es keine andere Wahl. Wenn sie in dieser Sache ’ne krumme Tour machen, verdammt nochmal, was werden sie dann das nächste Mal aushecken?« Sein Bruder erwiderte: »Es gab keine andere Wahl, denn es ist doch so, du wärst – du hättest ’ne Amtsenthebung am Hals.« Das sah auch der Präsident so: »Ich hätte ’ne Amtsenthebung am Hals.«
Am Mittwoch, den 24.Oktober, um 10 Uhr trat die Blockade in Kraft. Das amerikanische Militär wurde in höchste Alarmbereitschaft versetzt, eine Stufe unterhalb des Atomkriegs, und McCone setzte im Weißen Haus zu seinem Tagesbericht an. Damit entsprach der Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes schließlich doch noch den Vorgaben seines Einstellungsvertrags, indem er das gesamte Nachrichtenmaterial der Vereinigten Staaten mit ausschließlich einer Stimme dem Präsidenten vortrug. Die sowjetischen Streitkräfte seien nicht in volle Alarmbereitschaft versetzt, aber diese werde zunehmend hochgefahren, berichtete McCone. Die sowjetische Marine verfüge im Atlantik über U-Boote, als Vorauskommando für die kleine Flotte mit Kurs auf Kuba. Neue Aufklärungsfotos zeigten Lagergebäude für atomare
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