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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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Im Anschluss ging Carter hoch ins Weiße Haus und konferierte dort mit Art Lundahl, dem ranghöchsten Fotoauswerter der CIA, sowie mit Sidney Graybeal, dem Spitzenmann unter den Raketenexperten. Die drei Männer nahmen vergrößerte U-2-Fotos mit in den Kabinettssaal, in dem sich kurz vor 12 Uhr mittags der engste Kreis der für die nationale Sicherheit Verantwortlichen eingefunden hatte.
    Der Präsident schaltete sein Tonbandgerät ein. Mehr als vierzig Jahre gingen ins Land, bevor eine korrekte Abschrift dessen zustande kam, was auf den Besprechungen über die Kubakrise gesagt worden war.
    »Das wäre verdammt gefährlich«
    Kennedy starrte auf die Fotos. »Wie weit sind sie damit?«, fragte er. »Wir haben eine Anlage dieser Art vorher noch nie gesehen, Herr Präsident«, erwiderte Lundahl. »Auch nicht in der Sowjetunion?«, fragte Kennedy weiter. »Nein, auch dort nicht«, sagte Lundahl. »Sind die abschussbereit?«, hakte Kennedy nach. »Nein, Herr Präsident«, erklärte Graybeal. »Wie viel wir Zeit haben … das können wir nicht wissen, nicht wahr? Wie viel Zeit bleibt bis zum Abschuss?«, erkundigte sich Kennedy. Niemand konnte es sagen. Wo die Gefechtsköpfe seien, wollte Verteidigungsminister McNamara wissen. Niemand konnte es sagen. Warum hatte Chruschtschow das getan?, fragte sich der Präsident. Niemand konnte es sagen. Außenminister Rusk äußerte vorsichtig eine plausible Vermutung: »Wir selbst leben eigentlich nicht mit der Angst vor ihren Atomwaffen, jedenfalls nicht in dem Maße, wie sie mit der Angst vor unseren Waffen leben müssen. (…) Wir haben ja auch Waffen in ihrer Nähe stationiert, zum Beispiel in der Türkei und sonstwo.«
    Dem Präsidenten war nur vage bewusst, dass diese Raketen bereitstanden. Fast hätte er seine eigene Entscheidung vergessen, dass diese Waffen unverändert das gleiche Ziel haben sollten: die Sowjetunion.
    Kennedy ordnete die Aufstellung von drei unterschiedlichen Angriffsplänen an. Erstens: Zerstörung der Abschussrampen durch Kampfflieger von Luftwaffe und Marine; zweitens: Durchführung eines erheblich größeren Luftangriffs; drittens: Landung auf Kuba und Besetzung der Insel. »Erst mal ist Plan Nummer eins dran«, sagte er. »Wir werden die Raketen da wegputzen.« Die Besprechung war um 13 Uhr zu Ende, nachdem Robert Kennedy noch für eine unverhohlene Invasion plädiert hatte.
    Anderthalb Stunden später war Robert Kennedy zurück in seinem riesigen Büro im Justizministerium und trommelte eilig das »Mongoose«-Team zusammen; er verlangte umgehend neue Ideen, neue Einsatzziele. Er kam auf eine Frage zurück, die ihm zuvor im Weißen Haus sein Bruder gestellt hatte, und gab sie an Helms weiter: Wie viele Kubaner stehen bereit, um im Falle einer US-Invasion der Insel für das Regime zu kämpfen? Niemand konnte es sagen. Um 18 Uhr 30 kamen der Präsident und seine Vertrauten erneut im Kabinettssaal zusammen. Mit Blick auf die »Mongoose«-Einsätze warf Kennedy die Frage auf, ob die Mittelstreckenraketen mit Gewehrkugeln zu zerstören seien. Das schon, erwiderte General Carter, aber hier handele es sich um mobile Raketen, die zu anderen Verstecken gebracht werden könnten. Das Problem der Zielerfassung mobiler Raketenrampen konnte bis heute nicht gelöst werden.
    Sodann erörterte der Präsident die Frage, ob es über Kuba zu einem Atomkrieg kommen könne. Allmählich wurde ihm klar, wie wenig er den sowjetischen Regierungschef verstand. »Wir haben uns mit Sicherheit über seine Absichten getäuscht«, meinte er. »Bei uns haben wohl nicht viele geglaubt, dass er auf Kuba Mittelstreckenraketen aufstellen würde.« Niemand, grummelte Bundy, außer John McCone. Warum hat Chruschtschow das getan?, fragte der Präsident. »Welchen Vorteil hat er davon? Es ist, als ob wir mit einem Mal eine größere Zahl von Mittelstreckenraketen in der Türkei aufstellen würden«, bemerkte er in die Runde. »Das wäre aber verdammt gefährlich , würde ich denken.«
    Für einen Augenblick kam peinliches Schweigen auf. Dann sagte Bundy: »Nun, Herr Präsident, wir haben das schon gemacht .«
    Das Gespräch wandte sich dann Fragen der geheimen Kriegführung zu. »Wir haben hier eine Liste von möglichen Sabotageaktionen, Herr Präsident«, meldete sich erneut Bundy zu Wort. »(…) Ich gehe davon aus, dass Sie sich für Sabotagemaßnahmen aussprechen.« Damit hatte er recht. Zehn Teams von jeweils fünf »Mongoose«-Spezialisten wurden ermächtigt, mit Hilfe eines U-Boots in

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