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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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Gesprächsteilnehmer schließlich zu Castro zurück. In den sieben Wochen zuvor hätten insgesamt achtunddreißig sowjetische Schiffe in kubanischen Häfen angelegt, teilte McCone dem Präsidenten mit. Ihre Ladung »könnte Raketenteile umfassen. Wir wissen es nicht.« Jedenfalls arbeiteten die Sowjets am Ausbau von Kubas militärischer Stärke. »Das wäre dann also unabhängig von der Frage, ob sie da ein paar Raketenstellungen bauen, oder?«, erkundigte sich Kennedy. »Nun, eigentlich nicht«, erwiderte McCone, »ich denke, beides hängt zusammen. Ich denke, sie machen beides.«
    Tags darauf verließ McCone Washington und begab sich auf eine längere Hochzeitsreise. Er war seit noch nicht langer Zeit verwitwet und nun wieder frisch verheiratet und hatte sich daher für eine Reise nach Paris und Südfrankreich entschieden. Dem Präsidenten schrieb er: »Ich wäre überaus glücklich, wenn Sie nach mir rufen ließen, und wenn Sie das tun, wäre in gewisser Weise das Schuldgefühl von mir genommen, das mich zu belasten scheint.«
    »Tun Sie den Bericht in eine Kiste und nageln Sie sie zu«
    Am 29.August flog eine U-2 über Kuba hinweg. Der dabei aufgenommene Film wurde noch in der Nacht entwickelt. Am Morgen des 30.August beugte sich ein CIA-Auswerter über seinen Beleuchtungstisch und rief plötzlich: »Ich hab’ die SAM-Rampe!« Es handelte sich um eine Boden-Luft-Rakete, eine SA-2, wie sie auch beim Abschuss des U-2-Flugzeugs über Russland verwendet worden war. Am gleichen Tag wurde eine weitere in sowjetischen Luftraum geratene U-2 erfasst, was einen Verstoß gegen feierliche Versprechen der USA bedeutete und einen förmlichen Protest aus Moskau bewirkte.
    Die Kenntnis, dass Kuba nunmehr über Boden-Luft-Raketen verfügte, löste, wie McCone später erklärte, im Weißen Haus »eine verständliche Abneigung und Zurückhaltung« aus, weitere Flüge zu autorisieren. Kennedy wies General Carter, den für die Dauer von McCones Hochzeitsreise amtierenden Direktor des Nachrichtendienstes, an, den Bericht über die SAM-Raketen zu vernichten. »Tun Sie ihn in eine Kiste und nageln Sie sie zu«, meinte der Präsident. Er konnte es sich nicht leisten, dass internationale Spannungen innenpolitisch einen Tumult auslösten, schon gar nicht, wenn in zwei Monaten Wahlen bevorstanden. Dann aber wurde am 9.September eine weitere U-2-Maschine über China abgeschossen. Das Spionageflugzeug und die damit verbundenen Risiken wurden inzwischen vom Außenministerium und vom Pentagon, wie es in einem CIA-Bericht heißt, mit »generellem Widerwillen oder zumindest mit äußerstem Unbehagen« betrachtet. Ein wütender McGeorge Bundy, dem Außenminister Rusk Dampf machte, unterband im Namen des Präsidenten den angesetzten folgenden U-2-Flug über Kuba und zitierte James Q. Reber zu sich, den CIA-Veteranen, der den Ausschuss für Luftaufklärung koordinierte.
    »Gibt es bei euch irgendjemanden in der Planungsvorbereitung dieser Einsätze, der einen Krieg beginnen möchte?« fragte Bundy unumwunden.
    Am 11.September erließ Präsident Kennedy ein Verbot für U-2-Flüge, kubanischen Luftraum zu überqueren. Vier Tage später landeten die ersten sowjetischen Mittelstreckenraketen im Hafen von Mariel. Die Lücke in der fotografischen Überwachung – ein blinder Fleck in einem entscheidenden Augenblick der Geschichte – bestand für weitere fünfundvierzig Tage.
    McCone behielt dank einer Flut von Telegrammen, die er von der französischen Riviera aus absetzte, die Übersicht über die CIA und gab Anweisung, das Weiße Haus vor der »Gefahr einer Überraschung« zu warnen. Nichts dergleichen geschah. Laut Schätzungen der CIA befanden sich 10 000 sowjetische Soldaten auf Kuba. Es waren aber 43 000. Die CIA bezifferte die Truppenstärke der kubanischen Streitkräfte auf 100 000 Mann, die tatsächliche Zahl lag bei 275 000 Mann. Die CIA leugnete schlicht die Möglichkeit, dass die Sowjets Atomwaffenstellungen auf Kuba errichteten.
    In einem von Top-Experten der CIA verfassten Sonderlagebericht zur Einschätzung der nationalen Sicherheit hieß es: »Der Aufbau sowjetischer Nuklearwaffen auf Kuba, die gegen die USA zum Einsatz kommen könnten, wäre inkompatibel mit der Politik der Sowjetunion.« Indem sie von sich selbst auf andere schloss, verstieg sich eine im Dunkeln tappende CIA zu der These: »Die Sowjets sind vermutlich selbst unschlüssig über ihr zukünftiges Militärprogramm für Kuba.« Diese Einschätzung blieb als eine Art

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