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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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Sprengköpfe, aber keine eigentlichen Sprengköpfe. McCone gab sich an diesem Tag große Mühe, Präsident Kennedy vor Augen zu führen, dass die Blockade die Sowjets nicht davon abhalten werde, die Raketenabschussrampen einsatzbereit zu machen.
    McNamara fing gerade an, seine Pläne für das Aufbringen der sowjetischen Schiffe und U-Boote darzulegen, da unterbrach ihn McCone mit dem Satz: »Herr Präsident, ich bekomme hier gerade ein Schreiben …: Alle sechs derzeit in kubanischen Hoheitsgewässern festgestellten sowjetischen Schiffe … haben entweder ihre Maschinen gestoppt oder sind auf Gegenkurs.« »Was meinen Sie mit ›kubanischen Hoheitsgewässern‹?«, erkundigte sich Rusk. Der Präsident hakte nach: »Die auslaufenden Schiffe oder die nach Kuba hereinkommenden Schiffe?« McCone erhob sich vom Tisch und sagte: »Ich werde das klären«, und damit verließ er den Raum. Rusk murmelte: »Schließlich ist das ein ganz schöner Unterschied.«
    McCone kam mit der entscheidenden Nachricht zurück, dass die sowjetischen Schiffe mit Kurs auf Kuba mehr als fünfhundert Seemeilen vor der Insel entweder gestoppt oder umgedreht hätten. In diesem Augenblick soll sich Rusk zu Bundy hinübergebeugt und gesagt haben: »Wir stehen jetzt Auge in Auge, und ich denke, der Kerl gegenüber hat gerade geblinzelt.«
    Der erste Teil von McCones Strategie hatte also funktioniert: Die Blockade der sowjetischen Schiffe schien zu halten. Der zweite Teil würde weitaus schwieriger sein. Immer wieder erinnerte er den Präsidenten daran, dass die Raketen nach wie vor da und die Sprengköpfe irgendwo auf der Insel versteckt seien. Die Gefahr sei alles andere als gebannt.
    Am 26.Oktober meinte Adlai Stevenson, er war im Weißen Haus zugegen, es werde wochen-, wenn nicht gar monatelange Verhandlungen brauchen, um die Raketen von Kuba wegzubekommen. McCone war klar, dass dafür keine Zeit blieb. Gegen Mittag nahm er den Präsidenten zu einer privaten Unterredung im Oval Office beiseite, an der außer ihm noch Art Lundahl, der Fotoauswerter, teilnahm (falls Robert dabei war, hat er jedenfalls keinen Ton gesagt). Neue Aufklärungsfotos machten deutlich, dass die Sowjets atomare Kurzstreckengefechtswaffen auf die Insel gebracht hatten. Frisch getarnte Raketenabschussvorrichtungen waren nahezu einsatzbereit. Jede Raketenstellung war mit bis zu fünfhundert Soldaten bemannt und wurde von noch einmal 300 Mann sowjetischem Zivilpersonal bewacht.
    »Ich mache mir immer mehr Sorgen«, sagte McCone zu Kennedy. »Sie könnten im Dunkeln loslegen, und am nächsten Morgen wären dann die Raketen auf uns gerichtet. Darum mache ich mir mehr und mehr Sorgen, ob wir weiter auf der politischen Schiene fahren sollen.«
    »Welche Möglichkeit haben wir sonst?«, fragte Kennedy. »Die Alternative wäre, wir machen einen Luftangriff oder eine Invasion. Aber dann müssen wir immer noch der Tatsache ins Auge sehen, dass wir, bei einer Invasion, in der Zeit, in der wir nach blutigen Kämpfen schließlich zu diesen Raketenstellungen vordringen – dass sie nach wie vor auf uns zielen. Es läuft also immer noch auf die Frage raus, ob sie diese Raketen auch abfeuern.«
    »Das ist richtig«, antwortete McCone. Ab da schwenkte der Präsident in seinen Überlegungen von der Diplomatie über zum Krieg. »Also, es sieht wohl so aus, dass es für uns keine andere Maßnahme gibt, keine nicht-diplomatische, durch die wir die Raketen sofort loswerden«, äußerte er. »Die andere Möglichkeit ist, meiner Meinung nach, eine Kombination aus Luftangriff und vermutlich Invasion, was bedeutet, dass wir beides durchziehen, mit der Aussicht, dass die Raketen abgefeuert werden könnten.«
    McCone warnte vor einer Invasion. »Eine Invasion ist eine viel ernstere Angelegenheit, als den meisten bewusst ist«, betonte er gegenüber dem Präsidenten. Russen und Kubaner hätten »’ne verdammt große Menge an Ausrüstung … Ziemlich bedrohliches Zeug haben die da. Raketenwerfer, Selbstfahrlafetten, Schützenpanzer … Die machen jedem, der da reingeht, ganz schön die Hölle heiß. Das dürfte in jedem Fall kein Spaziergang werden.«
    An diesem Abend traf eine wortreiche Botschaft aus Moskau im Weißen Haus ein. Übertragung und Empfang des Telegramms dauerten mehr als sechs Stunden, und erst um 21 Uhr war der ganze Text da. Es war ein persönliches Schreiben von Nikita Chruschtschow, in dem er gegen »die Katastrophe eines thermonuklearen Krieges« wetterte und – so schien es

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