CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Gehirnerschütterung. De Silva wurde auf dem linken Auge blind. Ärzte pumpten ihn voll mit Schmerzmitteln, wickelten ihm einen Mullverband um den Kopf und erklärten, wenn er in Saigon bleibe, werde er womöglich noch völlig erblinden.
Der Präsident fragte sich, wie er einen Feind bekämpfen sollte, den er nicht sah. »Es muss doch jemanden da unten geben, der genug Grips hat, um sich irgendeinen Weg auszudenken, wie wir ein paar Ziele finden, die wir angreifen können«, äußerte Johnson, als in Saigon die Nacht anbrach. Er beschloss, tausende weiterer Soldaten in die Schlacht zu werfen und den Bombenkrieg um einen Zahn zu verschärfen. Nicht ein einziges Mal beriet er sich mit dem CIA-Direktor.
»Eine Militäroperation, bei der wir nicht siegen können«
Am 2.April 1965 kam John McCone zum letzten Mal um seinen Rücktritt ein, und diesmal mit Erfolg, jedenfalls sobald der Präsident einen Nachfolger bestimmt hatte. Es war eine düstere Prophezeiung, die McCone seinem Präsidenten hinterließ: »Mit jedem Tag, der vergeht, mit jeder weiteren Woche werden wir wachsenden Druck zugunsten einer Beendigung der Bombardierungen zu gewärtigen haben. Dieser Druck kommt aus verschiedenen Bereichen der amerikanischen Öffentlichkeit, aus den Medien, von den Vereinten Nationen und von der Weltöffentlichkeit. Bei dieser ganzen Geschichte arbeitet die Zeit gegen uns, und ich glaube, darauf setzen die Nordvietnamesen.« Einer seiner besten Analysten, Harold Ford, äußerte ihm gegenüber: »In Vietnam verlieren wir zunehmend den Kontakt zur Realität« und »handeln mit mehr Mut als mit Verstand«. Das sah McCone jetzt ein. McNamara gegenüber machte er deutlich, dass die Nation im Begriff sei, »in eine Kriegssituation hineinzuschlittern, in der ein Sieg zweifelhaft sein dürfte«. Seine letzte Warnung an die Adresse des Präsidenten ließ nichts an Offenheit vermissen: »Irgendwann werden wir im Sumpf eines Dschungelkrieges stecken, in einer Militäroperation, bei der wir nicht siegen können und aus der wir nur unter extremen Schwierigkeiten wieder herauskommen.«
Lyndon Johnson hörte schon lange nicht mehr auf John McCone. Der Direktor schied aus dem Amt mit dem Wissen, dass er nicht den geringsten Einfluss auf die Gedankenwelt des US-Präsidenten ausgeübt hatte. Wie fast alle seine Nachfolger mochte Johnson die Arbeit der Agency nur, wenn sie zu dem passte, was er selbst dachte. War das nicht der Fall, dann ab in den Papierkorb. »Ich will Ihnen mal was sagen über diese Geheimdienstler«, so Johnson. »Früher in Texas, wo ich aufgewachsen bin, hatten wir eine Kuh namens Bessie. Ich bin immer früh rausgegangen und hab’ sie gemolken. Ich hab’ sie angepflockt, mich hingehockt und ihr einen Kübel frische Milch abgequetscht. Einmal hab’ ich mich mächtig angestrengt und kriegte einen ganzen Kübel voll mit Milch, aber ich hab’ nicht aufgepasst, und die alte Bessie zog ihren vollgeschissenen Schwanz mit einem Schwung durch den Milcheimer. Sehen Sie, genau das machen diese Leute vom Nachrichtendienst. Man strengt sich an und bringt ein gutes Programm oder eine ordentliche Politik in Gang, und dann ziehen sie einen vollgeschissenen Kuhschwanz da durch.«
24 »Der Anfang eines langen Abstiegs«
Der Präsident machte sich auf die Suche nach einer »großen Persönlichkeit« für den Direktoriumsposten des Zentralen Nachrichtendienstes – einen Mann, »der das Zeug dazu hat, den Sprengsatz zu zünden, wenn das nötig ist, um unser Land zu retten«.
Der stellvertretende Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes, Marshall Carter, warnte davor, einen von außerhalb zu wählen. Einen Jasager aus dem Militär zu nehmen, hielt er für einen »schweren Fehler«, und ein Weggefährte aus der Politik erschien ihm als »Katastrophe«. Wenn das Weiße Haus der Ansicht sei, in der CIA selbst gebe es keinen geeigneten Kandidaten, »dann soll es den Laden lieber dichtmachen und ihn den Indianern überlassen«. Das für die nationale Sicherheit zuständige Team des Präsidenten – McCone, McNamara, Rusk und Bundy – hielt fast einmütig Richard Helms für die beste Wahl.
Johnson hörte nicht auf sie. Am Nachmittag des 6.April 1965 ließ er einen Anruf zu einem neunundfünfzigjährigen Admiral im Ruhestand namens Red Raborn durchstellen, der in der texanischen Stadt Decatur beheimatet war. Raborn hatte politische Meriten aufzuweisen: LBJs Zuneigung hatte er im Wahlkampf 1964 errungen, als er in einem eigenfinanzierten
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