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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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brauchte Monate, bis ich eine klare Vorstellung davon hatte, was geschehen war und wer wem was angetan hatte«, erklärte Webster. »Casey hinterließ eine Menge Probleme.« Das gravierendste war nach Websters Ansicht die unbekümmerte Eigenmächtigkeit, die sich eingenistet hatte. »Die Leute draußen vor Ort hatten das Gefühl, auf eigene Faust handeln zu müssen«, erläuterte er. »Sie durften nicht ohne Zustimmung ihres Vorgesetzten aktiv werden. Aber die Bürochefs meinten, der Vorgesetzte zu sein .«
    Die Beamten des Geheimdienstes waren fest überzeugt davon, dass Webster – der sofort den Spitznamen »Sanfter Bill« erhielt – keinen Begriff davon hatte, wer sie waren, was sie machten und welcher Nimbus sie einte. »Kein anderer kann das verstehen«, behauptete Colin Thompson, der in Laos, Kambodscha und Vietnam gedient hatte. »Es ist ein Nebel, in den man eintaucht und hinter dem man sich verbirgt. Man hält sich für den Angehörigen einer Elite in der Welt des amerikanischen Staatsapparates, und die Agency tut von dem Augenblick an, in dem man in die Organisation eintritt, alles, um einen in dieser Überzeugung zu bestärken. Sie machen aus dir einen Gläubigen.«
    Auf Außenstehende wirkten sie wie Mitglieder eines Herrenclubs aus Virginia, eines der Kultur des Südens entsprungenen Vereins von Männern mit weißen Hemden. Sich selbst aber sähen sie als ein verkapptes Kampfbataillon, eine Blutsbrüderschaft. Ihr Verhältnis zu Webster sei von Anfang an hochgradig konfliktträchtig gewesen. »Wir hätten uns wahrscheinlich mit Websters Selbstgefälligkeit abfinden können, mit seinem Mangel an Erfahrung in auswärtigen Angelegenheiten, mit seinem amerikanischen Provinzialismus und sogar mit seiner Überheblichkeit«, klagte Duane Clarridge. »Aber dass er Jurist war – damit konnten wir uns nicht abfinden.«
    »Für ihn als Anwalt und Richter lief letztlich alles darauf hinaus, dass man nichts Ungesetzliches tun darf. Er konnte nie akzeptieren, dass die CIA genau das tut, wenn sie im Ausland operiert. Wir brechen die Gesetze anderer Länder. So sammeln wir Informationen. Darum dreht sich unsere Arbeit. Webster hatte ein unüberwindliches Problem mit dem Existenzgrund der Organisation, deren Leitung man ihm übertragen hatte.«
    Binnen weniger Wochen nach Websters Amtsantritt ließen Clarridge und seine Kollegen das Weiße Haus bereits wissen, dass der Mann unfähig, ein Dilettant, ein schwachköpfiger Salonlöwe sei. Er begriff das Ausmaß der Rebellion, mit der er sich konfrontiert sah, und versuchte, sich mit Hilfe der Ratschläge zu wehren, die ihm Richard Helms gab, der aus seinen Scharmützeln mit der Justiz als geachtete graue Eminenz hervorgegangen war. »Etwas schärfte Dick Helms mir ein: Weil wir lügen und im Ausland solche Sachen machen müssen, ist es umso wichtiger für uns, dass wir uns nicht gegenseitig belügen und das Wasser abgraben«, erinnerte sich Webster. »Ich wollte den Leuten klarmachen, dass man ein Vielfaches mehr leisten kann, wenn die anderen einem vertrauen. Ich weiß nicht, ob ich viel bewirkte. Die Leute hörten aufmerksam zu. Aber alle in der Agency fragten sich: Meint er das auch? In ihren Köpfen hielt sich immer dieser Zweifel.«
    Webster gelobte feierlich, dass die Agency keine Geheimnisse mehr vor dem Kongress haben werde. Aber die für die Nachrichtendienste zuständigen Kongressausschüsse waren einmal zu oft provoziert worden. Aus der Iran-Contra-Affäre zogen sie die Lehre, dass die CIA vom Kapitol Hill aus geleitet werden müsse. Der Kongress konnte seinen Willen durchsetzen, weil nach der Verfassung er in letzter Instanz über die Finanzen des Staatsapparates entschied. Webster hisste die weiße Flagge, und seine Kapitulation hatte zur Folge, dass die CIA nicht länger ein Werkzeug ausschließlich präsidialer Macht war. Sie nahm jetzt vielmehr eine prekäre Stellung zwischen dem Oberbefehlshaber und dem Kongress ein.
    Der Geheimdienst wehrte sich mit allen Kräften dagegen, dem Kongress eine Beteiligung an der Leitung der CIA einzuräumen. Unter den 535 gewählten Volksvertretern, so seine Besorgnis, gebe es schwerlich mehr als fünf, die von der CIA eine Ahnung hätten. Deshalb füllten sich die Mitarbeiterstäbe der Kontrollausschüsse des Kongresses auch rasch mit ehemaligen Berufsbeamten der Agency, die sich um ihre eigenen Leute kümmern konnten.
    Die Ausschüsse hatten noch eine Rechnung mit Clair George offen, der zu dieser Zeit immer noch Chef des

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