CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Geheimdienstes war. Er hatte Casey als Verbindungsmann zum Kongress gedient und sich dabei als ein Meister in der Kunst der Irreführung bewährt. Casey hatte ihn wegen seines Charmes und seiner Gerissenheit geschätzt, aber an solchen Eigenschaften bestand in der CIA Websters kein Bedarf. »Clair nahm durch seine Zungenfertigkeit die Leute leicht für sich ein«, sagte Webster. »Aber seiner Ansicht nach bestand die Beantwortung einer vom Kongress gestellten Frage darin, um sie herumzutänzeln.«
Ende November 1987 rief ihn Webster zu sich und kanzelte ihn ab: »Tatsache ist, dass der Kongress Ihnen kein Wort glaubt. Ich werde Ihnen Ihren Job wegnehmen müssen.« George überlegte einen Augenblick. Dann sagte er: »Ich glaube tatsächlich, es ist Zeit für mich, abzutreten – und vielleicht nehme ich noch ein paar Leute mit, die ebenfalls ihren Abschied nehmen sollten.« Drei Wochen später zur Mittagszeit stieß Duane Clarridge gerade mit George auf Weihnachten an, als Webster ihn zu sich nach oben zitierte und ihm erklärte, es sei Zeit für ihn, aus der Organisation auszuscheiden. Clarridge dachte kurz daran, sich zur Wehr zu setzen. Erst spielte er mit dem Gedanken, Webster zu erpressen, und dann erwog er, seine Verbindungen ins Weiße Haus zu nutzen. Er hatte gerade einen netten Gruß des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten, seines guten Freundes, erhalten. »Ich versichere Sie meiner Freundschaft, meiner Achtung und meiner Wertschätzung«, schrieb George H. W. Bush. »Daran wird sich nie etwas ändern.« Clarridge entschied, dass die Vertrauensbasis zerstört war, und nahm seinen Hut.
Gemeinsam mit ihm verabschiedete sich ein ganzer Kader von Geheimagenten, die es zusammen auf zweitausend Jahre Berufserfahrung brachten.
»Der amerikanische Nachrichtendienst war großzügig«
Worüber sich Clair George im Ruhestand am meisten Gedanken machte, waren nicht die aufgeflogenen Operationen oder die Aussicht auf strafrechtliche Verfolgung, sondern das Gespenst eines Maulwurfs innerhalb der CIA.
Unter seiner Leitung, während der Jahre 1985 und 1986, hatte die für die Sowjetunion und Osteuropa zuständige Abteilung des Geheimdienstes ihre sämtlichen Spione verloren. Das Dutzend sowjetischer Agenten, über das sie vor Ort verfügte, war einer nach dem anderen verhaftet und hingerichtet worden. Die kleinen CIA-Büros in Moskau und Ostberlin mussten ihre Arbeit einstellen, nachdem die Mitarbeiter ihre Tarnung verloren hatten und die von ihnen betreuten Operationen zerschlagen waren. In den Jahren 1986 und 1987 brach die Abteilung wie ein gesprengtes Gebäude auf einem in Zeitlupe abgespulten Film zusammen. Die CIA hatte keine Ahnung, warum das geschah. Zuerst hielt sie einen Beamten namens Ed Howard, einen Neuanfänger, für den Verräter. Er war 1981 in den Geheimdienst eingetreten und wurde zu seinem ersten Auslandsaufenthalt als getarnter Agent nach Moskau geschickt. Er hatte eine zweijährige Ausbildung hinter sich. Ein paar biografische Einzelheiten, Howard betreffend, waren der CIA bis zur letzten Minute verborgen geblieben: Er trank, log und stahl. Die Agency schickte ihn trotzdem, und im April 1985 lief er über.
Im Rahmen seiner Ausbildung hatte Howard die Akten einiger der besten Spione eingesehen, die die CIA in Moskau besaß; zu ihnen zählte auch Adolf Tolkatschew, ein fürs Militär arbeitender Wissenschaftler, der seit vier Jahren Unterlagen über die avancierteste sowjetische Rüstungsforschung lieferte. Tolkatschew galt als der seit zwanzig Jahren wichtigste sowjetische Informant der CIA.
Als am 28.September 1986 das Politbüro im Kreml zu einer Sitzung zusammenkam, setzte der Leiter des KGB, Viktor Tschebrikow, Michail Gorbatschow voll Stolz davon in Kenntnis, dass Tolkatschew tags zuvor wegen Hochverrats hingerichtet worden war. »Der amerikanische Nachrichtendienst war großzügig ihm gegenüber«, bemerkte Gorbatschow. »Sie haben zwei Millionen Rubel bei ihm gefunden.« Das war über eine halbe Million Dollar. Der KGB kannte nun den gültigen Lohntarif für Weltklassespione.
Die CIA hielt es für durchaus möglich, dass Howard Tolkatschew verraten hatte. Doch für mehr als drei der zwölf Todesfälle, die das Spionagenetz der CIA in der Sowjetunion zerstört hatten, ließ er sich unmöglich verantwortlich machen. Schuld daran musste etwas anderes oder ein anderer sein. Der Beraterstab des Präsidenten für die Auslandsspionage beschäftigte sich mit dem Fall und konstatierte »ein
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