CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Spitzenexperte in der CIA!«
Dem Nachrichtendienst war irgendwie entgangen, dass sein Hauptgegner im Sterben lag. »Sie sprachen über die Sowjetunion, als läsen sie keine Zeitung, von anspruchsvollerem Geheimdienstmaterial ganz zu schweigen«, meinte Admiral William J. Crowe jr., der unter Bush Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs der Streitkräfte war. Als im Frühjahr 1989 die ersten tiefen Risse in den Sowjetrepubliken auftraten, holte sich die CIA tatsächlich ihre Informationen aus der Lektüre der dortigen Zeitungen, die freilich drei Wochen alt waren, wenn sie eintrafen.
Niemand in der Agency stellte die Frage, die Vernon Walters, der von Bush neu ernannte Botschafter in Deutschland, im Mai 1989 seinen Mitarbeitern stellte: »Was machen wir, wenn die Mauer fällt?«
Die Berliner Mauer stand seit fast dreißig Jahren, als herausragendes Symbol des Kalten Krieges. Als sie eines Abends im November 1989 durchlässig wurde, saß Milt Bearden, der Chef der für die Sowjetunion zuständigen Abteilung im Geheimdienst, sprachlos in der Zentrale und starrte auf den Fernseher, wo CNN über die Ereignisse berichtete. Der erfolgreiche Sender war für den Nachrichtendienst zu einem gewaltigen Problem geworden. In einer Krisensituation lieferte er Nachrichten, die als Echtzeit-Informationen durchgingen. Wie hätte die CIA das noch übertrumpfen können? Und schon kam ein Anruf vom Weißen Haus: Was passiert in Moskau? Was berichten unsere Spione? Es fiel schwer, zuzugeben, dass es gar keine ernst zu nehmenden Spione in der Sowjetunion mehr gab – dass sie alle zur Strecke gebracht und ermordet worden waren und dass keiner in der CIA wusste, warum.
Die Agency wollte gleich als heldenhafter Eroberer gen Osten reiten und die Nachrichtendienste der Tschechoslowakei, Polens und Ostdeutschlands übernehmen, aber das Weiße Haus riet zur Vorsicht. Das Beste, was die CIA erst einmal tun konnte, war, das Sicherheitspersonal neuer politischer Führer wie des tschechischen Bühnenautors Václav Havel auszubilden und das Höchstgebot für die entwendeten Stasi-Unterlagen abzugeben, nachdem diese eines schönen Tages von einer plündernden Menschenmenge, die die Geheimpolizei überrannte, aus einem Fenster in Ostberlin auf die Straße geworfen worden waren.
Die Nachrichtendienste des Sowjetkommunismus waren ebenso gigantische wie präzis arbeitende Unterdrückungsmaschinerien. Vor allem hatten sie dazu gedient, die eigene Bevölkerung auszuspionieren, einzuschüchtern und nach Möglichkeit zu kontrollieren. Größer und rücksichtsloser als die CIA, hatten diese Geheimdienste ihre Gegner in vielen Schlachten, die sie in Drittländern austrugen, besiegt, aber den Krieg hatten sie verloren, zugrunde gerichtet durch die Brutalität und Banalität des sowjetischen Staatswesens.
Der Verlust der Sowjetunion traf die CIA ins Mark. Wie sollte sie ohne ihren Widerpart fortbestehen? »Vormals war es leicht für die CIA, einzigartig und geheimnisumwittert zu sein«, meinte Milt Bearden. »Sie war keine Behörde. Sie hatte eine Mission. Und ihre Mission war ein Kreuzzug. Dann nahm man uns die Sowjetunion weg, und etwas anderes hatten wir nicht. Wir haben keine Geschichte. Wir haben keine Helden. Sogar unsere Auszeichnungen sind geheim. Und nun ist die Mission beendet. Finis .«
Hunderte von altgedienten Geheimdienstlern erklärten sich zu Siegern und dankten ab. Zu ihnen zählte Phil Giraldi, der als Mitarbeiter im Außendienst in Rom angefangen und es sechzehn Jahre später zum Chef der Außenstelle in Barcelona gebracht hatte. Sein Partner im Büro in Rom hatte über italienische Politik promoviert. In Barcelona war seine Partnerin eine Absolventin im Fach Anglistik, die kein Spanisch sprach.
»Die eigentliche Tragödie liegt im Geistigen«, sagte er. »Viele der jüngeren Mitarbeiter, die ich kannte, haben gekündigt. Das waren die Besten und Hellsten. Achtzig oder neunzig Prozent von denen, die ich kannte, haben mitten in ihrer Karriere aufgegeben. Es gab kaum noch einen Anreiz. Die Begeisterung war weg. Als ich in die Agency eintrat, damals im Jahr ’76, gab es ein Stammesdenken. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, das in der Agency existierte, speiste sich aus diesem Stammesdenken, und es diente einem guten Zweck.« Und jetzt sei es verschwunden und mit ihm der größte Teil des Geheimdienstes.
Bereits 1990 »entwickelte sich das rasant in die völlig falsche Richtung«, meinte Arnold Donahue, ein altgedienter CIA-Mann, der
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