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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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Entscheidungen eine maßgebliche Rolle. »Saddam Hussein war als brutaler Diktator bekannt, aber viele hielten ihn für das kleinere von zwei Übeln«, erklärte Philip Wilcox, der Verbindungsmann des Außenministeriums zur CIA. »Der Nachrichtendienst lieferte Einschätzungen der vom Iran ausgehenden Gefahr, die, wie man rückblickend sagen kann, die Siegeschancen des Iran in diesem Krieg übertrieben.« Am Ende »schlugen wir uns tatsächlich auf die Seite des Irak. Wir lieferten ihm nachrichtendienstliche Informationen, strichen ihn von der Liste der Staaten, die den Terrorismus beförderten, und nahmen Äußerungen Saddams, die man so verstehen konnte, als unterstütze er den arabisch-israelischen Friedensprozess, positiv auf. Viele fingen optimistischerweise an, im Irak einen potenziellen Stabilisierungsfaktor zu sehen und in Saddam Hussein einen Mann, mit dem sich zusammenarbeiten ließ.«
    Die Investitionen in den Irak brachten außerordentlich wenig Ertrag. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse kamen keine zurück. Der Agency gelang es nie, den irakischen Polizeistaat zu infiltrieren. Bezüglich des Regimes Saddams besaß sie praktisch keine Informationen aus erster Hand. Ihr Agentennetz bestand aus einer Handvoll von Diplomaten und Handelsattachés ausländischer Botschaften. Diese Männer hatten wenig Einblick in die geheimen Gremien Bagdads. Irgendwann war sich die CIA nicht einmal zu schade, einen irakischen Hotelangestellten in Deutschland anzuwerben.
    Die CIA unterhielt aber immerhin noch ein Netz von über vierzig iranischen Agenten, unter ihnen auch Offiziere mittleren Ranges, die einige Kenntnisse über die irakische Armee besaßen. Das CIA-Büro in Frankfurt unterhielt zu ihnen mittels der uralten Technik unsichtbarer Tinte Verbindung. Im Herbst 1989 allerdings schickte ein Angestellter der CIA Briefe an sämtliche Agenten, alle zur gleichen Zeit, alle von der gleichen Poststelle, alle in der gleichen Handschrift, alle an die gleiche Adresse. Als einer der Agenten entlarvt wurde, flog das ganze Netz auf. Ein Anfängerfehler. Sämtliche iranischen Spione der CIA wurden ins Gefängnis geworfen und viele wegen Hochverrats hingerichtet.
    »Die verhafteten Agenten wurden zu Tode gefoltert«, erklärte Phil Giraldi, damals Stellvertretender Leiter der CIA-Station in Istanbul. »In der CIA wurde niemand bestraft«, sagte er. »Der Leiter der dafür verantwortlichen Feldeinheit wurde im Gegenteil befördert.« Mit dem Zusammenbruch des Agentennetzes schloss sich das Fenster der CIA zum Irak und zum Iran.
    Als Saddam im Frühjahr 1990 erneut seine Armee in Kampfbereitschaft zu versetzen begann, entging das der CIA. Die Agency teilte in einem Sonderbericht zur Einschätzung der nationalen Sicherheitslage dem Weißen Haus mit, die Streitkräfte des Irak seien erschöpft, es werde Jahre brauchen, bis sie sich von dem Krieg mit dem Iran erholt hätten, und dass Saddam sich in naher Zukunft in irgendein militärisches Abenteuer stürzen werde, sei unwahrscheinlich. Am 24.Juli 1990 brachte dann Richter Webster Präsident Bush Fotos von Spionagesatelliten, die zeigten, wie zwei Divisionen der Republikanischen Garde – irakische Truppen einer Stärke von mehreren zehntausend Mann – an der Grenze zu Kuwait zusammengezogen wurden. Die Schlagzeile im National Intelligence Daily am folgenden Tag lautete: »Blufft der Irak?«
    Nur ein einziger angesehener CIA-Analyst, Charles Allen, der für Warnungen zuständige Nachrichtenbeamte der Agency, schätzte die Aussichten auf einen Krieg mit über fünfzig Prozent ein. »Ich habe die Alarmglocke geläutet«, sagte Allen. »Erstaunlicherweise hat kaum jemand hingehört.«
    Am 31.Juli bezeichnete die CIA eine Invasion als unwahrscheinlich; Saddam wolle sich einige Ölfelder oder eine Reihe von Inseln unter den Nagel reißen, aber mehr nicht. Erst am nächsten Tag – zwanzig Stunden vor der Invasion – warnte der stellvertretende Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes, Richard J. Kerr, das Weiße Haus vor dem unmittelbar bevorstehenden irakischen Angriff.
    Präsident Bush glaubte seiner CIA nicht. Er rief umgehend den ägyptischen Präsidenten, den saudi-arabischen König und den Emir von Kuwait an, und sie alle versicherten ihm, Saddam werde nie und nimmer einmarschieren. König Hussein von Jordanien erklärte dem Präsidenten: »Von Seiten der Iraker lässt man Sie herzlich grüßen und versichert Sie höchster Wertschätzung, Sir.« Bush legte sich beruhigt schlafen.

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