CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
CIA über insgesamt drei Agenten verfügt, die Geheimnisse von bleibendem Wert über die von der Sowjetunion ausgehende militärische Bedrohung hatten liefern können, und alle drei waren sie verhaftet und hingerichtet worden. Spionagesatelliten hatten akribisch Panzer und Raketen gezählt, aber die Zahlen schienen nun unerheblich. Wanzen und Abhörvorrichtungen hatten Milliarden von Wörtern aufgeschnappt, die jetzt jegliche Bedeutung eingebüßt hatten.
»Neue Welt da draußen. Anpassung oder Tod« , notierte Gates auf einem Schreibblock, zwei Tage bevor er sich am 7. und 8.November 1991 mit den leitenden Beamten des Geheimdienstes zusammensetzte und unmittelbar nachdem er als Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes vereidigt worden war. In der folgenden Woche schickte Bush eine von ihm persönlich unterzeichnete Anweisung an die Mitglieder seines Kabinetts, den »Bericht zur Nationalen Sicherheit Nr. 29«. Gates hatte ihn während der vergangenen fünf Monate entworfen. Darin wurden alle an der Regierung Beteiligten aufgefordert, zu erklären, was sie im Laufe der kommenden fünfzehn Jahre vom amerikanischen Nachrichtendienst erwarteten. »Dieses Vorhaben« war, wie Gates einer Hunderte von CIA-Angestellten umfassenden Zuhörerschaft verkündete, »ein großartiges Unternehmen von historischen Dimensionen«.
Der »Bericht zur Nationalen Sicherheit« trug Bushs Unterschrift. Aber er war eine inständige Bitte, die Gates den anderen Teilen des Regierungsapparats vortrug: Sagen Sie uns, was Sie von uns erwarten . Er wusste, dass die Organisation nur überleben konnte, wenn sie sich sichtlich veränderte. Richard Kerr, der unter Bush vier Jahre lang als stellvertretender Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes amtierte, dachte laut darüber nach, ob es in Zukunft noch eine CIA geben werde. Der Nachrichtendienst befinde sich in »einem ebenso tief greifenden Umbruch wie die Sowjetunion«, meinte er. »Wir haben die einfache Zielsetzung und den schlichten Zusammenhalt verloren, die mehr als vierzig Jahre lang die treibende Kraft nicht nur des Nachrichtenwesens, sondern mehr noch des ganzen Landes gewesen sind.« Der Konsens darüber, wo die Interessen Amerikas lägen und wie die CIA diesen Interessen dienen könne, existiere nicht mehr.
Gates veröffentlichte eine Pressemeldung, in der er den »Bericht zur Nationalen Sicherheit« als »die seit 1947 weitreichendste Direktive zur Ermittlung künftiger nachrichtendienstlicher Erfordernisse und Prioritäten« bezeichnete. Aber wie sahen diese Erfordernisse aus? Im Kalten Krieg mussten sich kein Präsident und kein Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes jemals diese Frage stellen. Sollte die CIA ihr Augenmerk jetzt auf die Elenden dieser Welt oder auf den Vormarsch der globalen Märkte konzentrieren? Was war bedrohlicher – der Terror oder die Technik? Den Winter über stellte Gates seine Aufgabenliste für den Umgang mit der neuen Welt zusammen, um sie im Februar abzuschließen und am 2.April 1992 dem Kongress vorzulegen. Die Schlussfassung führte 176 Gefahren auf, angefangen vom Klimawandel bis hin zur Cyberkriminalität. Ganz oben rangierten die nuklearen, chemischen und biologischen Waffen. Dann kamen die Drogen und der Terrorismus – unter dem Schlagwort »drugs and thugs« als Zwillingspaar präsentiert; der Terrorismus war noch nicht an die erste Stelle gerückt – und anschließend Welthandel und überraschende technologische Neuentwicklungen. Aber das riesige Loch, das die Sowjetunion hinterlassen hatte, konnte all das nicht ausfüllen.
Präsident Bush beschloss, den Nachrichtendienst zu verkleinern und den Umfang seiner Aktivitäten neu zu bestimmen. Gates stimmte zu. Das war eine vernünftige Reaktion auf das Ende des Kalten Krieges. Die Macht der CIA wurde also gezielt abgebaut. Alle gingen davon aus, dass die CIA durch ihre Verkleinerung an Tüchtigkeit gewinnen werde. 1991 fing das Budget an zu schrumpfen, und der Schrumpfungsprozess hielt die nächsten sechs Jahre lang an. 1992 machten sich die Einsparungen stark bemerkbar, just in dem Augenblick, in dem die CIA die Anweisung erhielt, ihre Unterstützung für laufende Militäroperationen drastisch zu verstärken. Mehr als zwanzig Außenstellen der CIA wurden dichtgemacht, einige große Büros in Hauptstädten um über 60 Prozent verkleinert und die Zahl der Geheimdienstagenten im Ausland drastisch reduziert. Die Analysten traf es noch härter. Doug MacEachin, ihr neuer Chef, erklärte, es
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