CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
nach außen und nach innen zu verteidigen, räumte Woolsey dem amerikanischen Volk das Recht ein, zu erfahren, wohin die CIA steuerte. Aber den Kurs festzulegen, war er nicht mehr im Stande. So stellte der Kongress am 30.September 1994 eine Kommission zusammen, die sich über die Zukunft der CIA Gedanken machen sollte, und legitimierte sie, der Agency den Weg ins einundzwanzigste Jahrhundert zu bahnen. Der Fall Ames hatte die einmalige Chance für einen Wandel eröffnet.
»Die Organisation muss einfach von Grund auf überholt werden«, sagte Senator Arlen Specter aus Pennsylvania, Mitglied der Republikanischen Partei, der sechs Jahre lang im Senatsausschuss für den Nachrichtendienst gesessen hatte.
Nötig gewesen wäre ein Impuls von Seiten des Präsidenten der Vereinigten Staaten, aber der kam einfach nicht. Drei Monate brauchte es, um die siebzehn Mitglieder für die Kommission auszuwählen, vier Monate, um die Agenda aufzustellen, und fünf Monate, bis das Gremium seine erste offizielle Sitzung abhielt. In der Kommission hatten Kongressmitglieder eine Vormachtstellung, vor allem das Mitglied des Repräsentantenhauses Porter J. Goss, ein konservativer Republikaner aus Florida. Goss hatte in den sechziger Jahren eine kurze Zeit im Geheimdienst verbracht, ohne sich groß hervorzutun, war aber das einzige Kongressmitglied, das von sich behaupten konnte, praktische Erfahrung beim Nachrichtendienst gesammelt zu haben. Der prominenteste Außenseiter der Kommission war Paul Wolfowitz, der mit der Überzeugung zu der Runde stieß, dass die CIA ihre Fähigkeit, mittels Spionage Informationen zu beschaffen, verloren hatte. Er sollte später zu den einflussreichsten Mitgliedern des Beraterstabs des nächsten Präsidenten gehören.
Die Kommission wurde von Les Aspin geleitet, der neun Monate zuvor als Verteidigungsminister zurückgetreten beziehungsweise wegen seiner Entscheidungsunfähigkeit gefeuert worden war. Clinton hatte ihn zum Vorsitzenden des Beratergremiums für den Auslandsnachrichtendienst ernannt. Depressiv und desorganisiert, wie er war, stellte Aspin vorzugsweise Fragen, auf die es keine klare Antwort gab: »Worauf läuft das jetzt alles hinaus? Worauf müssen wir uns nun konzentrieren? Was bezwecken Sie damit?« Als er wenige Monate später mit sechsundfünfzig Jahren plötzlich an einem Schlaganfall starb, verzweifelte der Mitarbeiterstab der Kommission an seiner Arbeit und verlor jede Orientierung. Die Kommissionsmitglieder steuerten in ein Dutzend verschiedene Richtungen und waren nicht in der Lage, sich auf ein gemeinsames Ziel zu verständigen.
Der Stabsleiter, Britt Snider, verkündete: »Unser Ziel ist es, Nachrichten zu verkaufen.« Aber viele der von der Kommission Befragten wandten ein, dass es nicht um Verkaufstechniken gehe. Das Produkt sei das Problem.
Schließlich trat die Kommission zusammen und lud Zeugen. Bob Gates, der noch vor drei Jahren eine lange Liste mit 176 Gefahrenherden und Zielobjekten aufgestellt hatte, erklärte nun, die Agency sei von der Vielzahl der Aufgaben überfordert. Führungsoffiziere und Bürochefs sagten, der Geheimdienst ertrinke in der Flut der Aufträge, die zu viele unwichtige Aufgaben zu weit draußen umfassten. Warum gebe das Weiße Haus der CIA den Auftrag, einen Bericht über die Ausbreitung der Evangelistenbewegung in Lateinamerika zu erstellen? Sei das für die Sicherheit der Vereinigten Staaten wirklich wichtig? Die Kapazität der Agency reiche nur für wenige wichtige Missionen. Geben Sie uns konkrete Handlungsanweisungen, flehten die CIA-Beamten.
Aber nichts konnte die Kommission dazu bringen, sich zu fokussieren. Nicht die im März 1995 erfolgte Attacke einer religiösen Sekte, die Saringas in die Untergrundbahn von Tokio einspeiste und dabei zwölf Menschen tötete und 3769 verletzte, ein Ereignis, das den Übergang vom Staatsterrorismus zum Terrorismus religiöser Fanatiker signalisierte. Nicht der Bombenanschlag auf die Bundeszentrale in Oklahoma City im April 1995, der 169 Menschenleben forderte und den mörderischsten Angriff auf amerikanischem Boden seit Pearl Harbor darstellte. Nicht die Entdeckung eines Komplotts von islamistischen Militanten, die ein Dutzend amerikanischer Flugzeuge über dem Pazifik explodieren lassen und einen gekaperten Jet in die CIA-Zentrale lenken wollten. Nicht die Warnung eines CIA-Beamten, dass die Vereinigten Staaten eines Tages mit »Terrrorismus aus der Luft« konfrontiert sein würden – mit Flugzeugen, die
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