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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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zusammenbrach.
    Die Leute wurden von Vorahnungen einer künftigen Katastrophe befallen. »Die Wahrscheinlichkeit eines katastrophalen Vorwarnungsversagens wächst«, schrieb Mary McCarthy, Tenets Nachfolgerin beim Nationalen Sicherheitsrat, in einem offenen Bericht kurz nach dem Atomtest in Indien. »Das Unheil rückt bedrohlich näher.«
    Dass Tenets Aufmerksamkeit in eine andere Richtung ging, als der Atomtest in Indien stattfand, hatte seinen Grund. Seine Mannschaft probte eine Operation mit dem Ziel, Osama Bin Laden zu fangen. Im Februar 1998 hatte Bin Laden verkündet, Gott habe ihn beauftragt, Amerikaner zu töten. In Afghanistan versammelte er die Stoßtruppen und Gefolgsleute aus dem heiligen Dschihad gegen die Sowjets zu einem neuen Dschihad gegen die Vereinigten Staaten. In Pakistan feilte der Bürochef der CIA, Gary Schroen, an einem Plan, nach dem die alten afghanischen Verbündeten benutzt werden sollten, Bin Laden auf der Fahrt zu seinem von Lehmmauern umgebenen Lager in der südafghanischen Stadt Kandahar zu schnappen. Am 20.Mai 1998 starteten sie eine letzte, vier Tage dauernde Generalprobe in voller Montur. Aber am 29.Mai entschied sich Tenet dafür, die Operation abzublasen. Der Erfolg hing von der Zusammenarbeit mit Pakistan ab – das nun, als Antwort an Indien, seinen eigenen Atomtest durchgeführt hatte. Die Pakistanis rührten die Kriegstrommel. Die Afghanen waren unzuverlässig. Dass die Operation fehlschlug, lag nicht nur im Bereich des Möglichen – es war sogar höchstwahrscheinlich. Die Chancen, Bin Laden zu fangen, waren von Anfang an gering, und die Welt war mittlerweile zu sehr aus den Fugen, um das Risiko einzugehen.
    Der Juni verging ohne den angekündigten Angriff Bin Ladens. Ebenso der Juli. Am 7.August 1998 wurde Präsident Clinton frühmorgens um 5 Uhr 35 durch einen Anruf geweckt, der die Bombardierungen der amerikanischen Botschaften in Nairobi (Kenia) und in Daressalam (Tansania) meldete. Die Explosionen erfolgten nacheinander im Abstand von vier Minuten. Die Zerstörung in Nairobi war schrecklich; ich habe sie mit eigenen Augen gesehen. Zwölf Amerikaner, darunter ein junger CIA-Mitarbeiter, starben bei der Explosion, die Hunderte von Kenianern in den Straßen und Bürohäusern außerhalb der Botschaftsmauern das Leben kostete und Tausende von ihnen verwundete.
    Am nächsten Tag kam George Tenet mit der Nachricht ins Weiße Haus, Bin Laden mache sich zu einem Lager außerhalb des Ortes Khost in Afghanistan nahe der pakistanischen Grenze auf. Tenet und Clintons nationale Sicherheitsberater vereinbarten, das Lager mit Marschflugkörpern zu bombardieren. Sie brauchten noch ein weiteres Ziel, um gleichzuziehen, und wählten Al-Schifa aus, eine industrielle Anlage außerhalb von Khartum im Sudan. Ein ägyptischer CIA-Agent hatte eine Bodenprobe von der Erde außerhalb der Anlage geliefert, die auf die Existenz einer zur Herstellung des Nervengases VX verwendeten Chemikalie schließen ließ.
    Die Beweislage war äußerst dünn. Ehe man bombardieren könne, brauche man »viel genauere Informationen über diese Einrichtung«, warnte Mary McCarthy vom Nationalen Sicherheitsrat. Es wurden nie welche geliefert.
    Kriegsschiffe im Roten Meer feuerten am 20.August einen Hagel von Marschflugkörpern, die Millionen Dollar gekostet hatten, auf beide Ziele ab. Sie töteten vielleicht zwanzig Pakistanis, die in Khost unterwegs waren – Bin Laden war längst über alle Berge – und einen Nachtwächter im Sudan. Clintons Beraterstab behauptete, der Beweis, aufgrund dessen der Angriff auf den Sudan unternommen worden war, sei hieb- und stichfest. Erst behaupteten sie, Al-Schifa sei eine Waffenfabrik, die für Bin Laden produziere. Tatsächlich handelte es sich um eine pharmazeutische Anlage, und von der Verbindung zu Bin Laden war keine Rede mehr. Daraufhin erklärten sie, die Fabrik sei Teil eines irakischen Programms zur Verbreitung von Nervengaswaffen. Wie die Tests von Inspektoren der UNO nachwiesen, besaßen die Iraker indes gar kein waffenfähiges VX. Möglich, dass die Bodenprobe auf ein VX-Vorprodukt hinwies, aber genauso gut konnte die Chemikalie zur Produktion eines Unkrautvernichtungsmittels gehören.
    Das Ganze war ein Konstrukt aus äußerst vagen Schussfolgerungen und Vermutungen. Nichts konnte jemals die Entscheidung, Al-Schifa anzugreifen, rechtfertigen. »Es war ein Fehler«, sagte Donald Petterson, der zwischen 1992 und 1995 amerikanischer Botschafter im Sudan war. »Die

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