CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Regierung konnte keine schlüssigen Beweise dafür erbringen, dass in der pharmazeutischen Anlage chemische Waffen hergestellt wurden. Die Regierung hatte Gründe für einen Verdacht, aber um einen Krieg zu beginnen, und der Raketenangriff war ja ein kriegerischer Angriff, hätten die Beweise hieb- und stichfest sein müssen.« Sein Nachfolger, Botschafter Tim Carney, sagte mit spürbarer Zurückhaltung: »Die Entscheidung, Al-Schifa zu bombardieren, steht in der Tradition, trotz mangelhafter Informationen über den Sudan dort Operationen durchzuführen.« Die Antiterrorattacke der Regierung Clinton ging daneben.
Drei Wochen später traf sich Tenet mit den Leitern der übrigen amerikanischen Nachrichtendienste. Sie stimmten darin überein, hinsichtlich der Art und Weise, wie das Land Nachrichten sammele, analysiere und verarbeite, seien »wirkliche und radikale Veränderungen« erforderlich. Andernfalls sei das nachrichtendienstliche System als Ganzes von einem »katastrophalen Scheitern« bedroht. Man schrieb den 11.September 1998.
»Es wird weitere Überraschungen geben«
Wenn sich die CIA nicht selbst neu erfinde, und zwar bald, »werden wir in zehn Jahren bedeutungslos sein«, sagte mir Tenet im Oktober während seines ersten offiziellen Interviews als Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes. »Wenn wir nicht unsere Fachkompetenz erweitern, werden wir das, was wir erreichen wollen, nicht erreichen.«
Seit 1991 hatte die CIA mehr als dreitausend ihrer besten Leute verloren – etwa 20 Prozent ihrer dienstälteren Spione, Analysten, Wissenschaftler und Fachkräfte für Technologie. Jedes Jahr verließen rund sieben Prozent die CIA. Das ergab dann zusammengenommen einen Verlust von ungefähr tausend erfahrenen Spionen, und es verblieben nicht viel mehr als tausend. Tenet wusste, dass er mit so einer schwachen Mannschaft draußen an der Front gegen das Kommende nicht gewappnet war.
»Es wird immer Tage geben, an denen wir Ereignissen hinterherrennen, die wir nicht vorausgesehen haben, und zwar nicht deshalb, weil jemand an den Schaltstellen gepennt hat, sondern weil das Ereignis so komplex ist«, sagte er. »Man erwartet von uns, dass unser Nachrichtensystem keine Fehler macht, wir Nachrichtendienstler sollen nicht nur über Trends und Ereignisse informieren und sie erklären, wir sind auch verpflichtet, in jedem einzelnen Fall mitzuteilen, an welchem Tag, zu welcher Uhrzeit und an welchem Ort das Ereignis stattfindet.« Die CIA habe selber vor langer Zeit solche Hoffnungen und Erwartungen geweckt. Das sei eine Illusion. »Es wird weitere Überraschungen geben«, sagte Tenet.
Er fing an, landesweit eine Talentsuche zu organisieren – in dem nur allzu klaren Bewusstsein, dass sein Kampf um die Erneuerung der CIA viele Jahre dauern, mehrere Milliarden Dollar und Tausende von neuen Mitarbeitern erfordern würde. Es war ein verzweifelter Kampf gegen die Zeit. Man braucht fünf oder sieben Jahre, um aus einem Anfänger einen Führungsoffizier zu machen, der in der Lage ist, seine Arbeit in den unwirtlicheren Ballungszentren der Welt zu verrichten. Amerikanische Staatsbürger, die sich sowohl in anderen Kulturen auskannten als auch bereit und geeignet waren, für die CIA zu arbeiten, ließen sich schwer finden. Ein Spion müsse wissen, »wie man Täuschung, wie man Manipulation, wie man, um es klar zu sagen, Lügen als Mittel bei der Ausübung seines Jobs einsetzt«, sagte Jeffrey Smith, der Justiziar der CIA Mitte der neunziger Jahre. »Die Leitung des Geheimdienstes muss immer dafür Sorge tragen, dass sie diese äußerst rare Spezies findet, die die Gabe hat, in dieser trügerischen und manipulativen Umgebung zu agieren und zugleich ihre moralische Integrität zu wahren.« Solche außergewöhnlichen Persönlichkeiten zu finden, anzuheuern und sie bei der Stange zu halten sei eine Aufgabe, die man nie erfüllt habe.
Im Laufe der Jahre war laut Bob Gates die Bereitschaft der CIA, »Leute unter Vertrag zu nehmen, die ein bisschen anders sind, exzentrische Leute, Leute, die in Schlips und Kragen seltsam aussehen, Leute, die sich mit anderen nicht gut vertragen, zunehmend gesunken. Die Art von Tests, die wir mit den Leuten veranstalten, die psychologischen und alle anderen Tests, machen es sehr schwer für jemanden, der vielleicht brillant ist oder außergewöhnliche Talente und einzigartige Fähigkeiten besitzt, bei der CIA anzukommen.« Wegen ihrer kulturellen Blindheit habe die CIA sich ein falsches Bild von
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