Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
Vom Netzwerk:
der Welt gemacht. Nur sehr wenige ihrer Mitarbeiter konnten Chinesisch, Koreanisch, Arabisch, Hindu, Urdu oder Farsi – die Sprachen von drei Milliarden Menschen, der Hälfte der Weltbevölkerung – sprechen oder lesen. Viel zu wenige hatten jemals in einem arabischen Basar gefeilscht oder waren durch ein afrikanisches Dorf gegangen. Die CIA war nicht in der Lage, »einen asiatischstämmigen Amerikaner nach Nordkorea zu schicken, ohne dass jedermann den gerade erst aus Kansas gekommenen jungen Burschen in ihm erkannte. Ebenso fehlte es ihr an Afroamerikanern oder Amerikanern arabischer Herkunft, die sie zur Arbeit ins Ausland hätte schicken können«, meinte Gates.
    Im Jahr 1992, als Gates Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes war, wollte er einen amerikanischen Bürger, der in Aserbaidschan aufgewachsen war, einstellen. »Er sprach fließend Aseri, aber sein schriftliches Englisch war nicht gut«, erinnerte sich Gates. »Und so wurde er abgewiesen, weil er unseren Englischtest nicht bestand. Und als man mir das sagte, bin ich ausgerastet. Ich sagte: ›Ich habe hier Tausende von Leuten, die Englisch schreiben können, aber ich habe niemanden hier, der Aseri sprechen kann. Wie konntet ihr nur?‹«
    Der Nachrichtendienst fing an, die Städte und die Vororte Amerikas auf der Suche nach Kindern von Einwanderern und Flüchtlingen, jungen Männern und Frauen, die in asiatischen und arabischen Familien der ersten Generation aufgewachsen waren, zu durchkämmen; in ganz Amerika erschienen entsprechende Anzeigen in Zeitungen der ethnischen Minderheiten. Der Erfolg war sehr bescheiden. Tenet war klar, dass das Überleben des Nachrichtendienstes in Zukunft davon abhing, dass es ihm gelang, ein faszinierendes Bild von internationalen Intrigen und intellektuellem Abenteuer für gescheite junge Leute zu entwerfen. Aber frisches Blut war nur ein Teil der Kur. Die Rekrutierungskampagne des Nachrichtendienstes vermochte es nie, eine grundlegende Frage zu beantworten: Konnte die CIA die Art von Leuten anwerben, die sie in fünf oder zehn Jahren brauchen würde? Sie wusste ja noch gar nicht, wohin die Reise ging. Sie wusste bloß, dass sie in dem Zustand, in den sie geraten war, nicht überleben würde.
    »Das hier werden wir bombardieren«
    Während die CIA schwächer wurde, wurde der Feind stärker. Der misslungene Angriff auf Bin Laden erhöhte dessen Status beträchtlich und führte seiner Sache Tausende von neuen Kämpfern zu. Der Feldzug der CIA gegen Al Qaida wurde in dem Maße dringlicher, in dem seine Popularität wuchs.
    Tenet griff den Plan wieder auf, Bin Laden durch afghanische Verbündete gefangen nehmen zu lassen. Im September und im Oktober 1998 behaupteten die Afghanen, sie hätten Bin Laden viermal vergeblich in Hinterhalte gelockt – was die CIA stark bezweifelte. Sie überzeugten aber die CIA-Mitarbeiter vor Ort, dass sie ihn auf seinem Weg von Lager zu Lager innerhalb Afghanistans aufspüren könnten. Am 18.Dezember berichteten sie, Bin Laden sei auf dem Weg zurück nach Kandahar und werde am 20.Dezember die Nacht in einem Haus auf dem Grundstück des dortigen Gouverneurs verbringen. Der Büroleiter Gerry Schroen gab von Pakistan aus die Order: Schlagt heute Nacht zu – eine solche Gelegenheit kommt vielleicht nie wieder. Die Marschflugkörper rotierten bereits in ihren Abschussvorrichtungen und speicherten die Zielangaben. Aber die Information stammte nur aus einer einzelnen Quelle, und in dieser Nacht schliefen Hunderte von Leuten auf dem Zielgelände. Tenets dringender Wunsch, Bin Laden zur Strecke zu bringen, wich seinen Skrupeln. Von oben kam der Befehl: Aktion abblasen. Der Mut wich der Vorsicht und aus »Auf geht’s« wurde »Immer schön langsam«.
    Seit dem Herbst 1998 »waren die Vereinigten Staaten in der Lage, Osama Bin Laden aus Afghanistan zu vertreiben oder ihn zu töten«, sagte John MacGaffin, der zweithöchste Beamte im Geheimdienst der Ära Clinton, »aber in dem Moment, wo es losgehen sollte, verließ sie der Mut. Die CIA wusste fast jeden Tag, an welchem Ort sich Bin Laden aufhielt – manchmal auf fünfzig Meilen, manchmal auf fünfzehn Meter genau.« Mindestens fünfzehn Soldaten von Sondereinheiten wurden beim Training für den bevorstehenden Angriff getötet oder verletzt. Kommandeure im Pentagon und Politiker im Weißen Haus schreckten immer wieder vor dem politischen Hasardspiel einer militärischen Mission gegen Bin Laden zurück.
    Sie überließen diese Aufgabe der CIA. Und

Weitere Kostenlose Bücher