CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
die schaffte es nicht, den Auftrag auszuführen.
Die Afghanen berichteten Anfang 1999, Bin Laden sei auf dem Weg zu einem Jagdrevier, das südlich von Kandahar liegt und von reichen Falknern gern besucht wird. Ein Spionagesatellit befand sich am 8.Februar über dem Revier und ortete seine Lage. Ein Flugzeug der Regierung der Vereinigten Emirate – Verbündete Amerikas – war dort abgestellt. Man konnte nicht das Leben der Emire opfern, um Bin Laden zu töten, und so blieben die Marschflugkörper in ihren Abschussvorrichtungen.
Die Afghanen blieben Bin Laden bei seinen Reisen in und außerhalb Kandahars den ganzen April des Jahres 1999 hindurch auf den Fersen. Im Mai umzingelten sie ihn ganze sechsunddreißig Stunden lang. Gerry Schroens Agenten lieferten detaillierte Berichte von seinen jeweiligen Aufenthaltsorten. Laut General John Gordon, dem stellvertretenden Leiter des zentralen Nachrichtendienstes unter Tenet, hätte die Nachrichtenlage gar nicht besser sein können.
Dreimal ergab sich die Gelegenheit, mit Marschflugkörpern zuzuschlagen. Jedesmal blies Tenet die Aktion ab. Sein Vertrauen in die Fähigkeit der CIA, Zielobjekte auszuwählen, war einige Tage zuvor schwer erschüttert worden.
In der Absicht, Präsident Slobodan Milošević zum Rückzug aus dem Kosovo zu zwingen, bereitete die Nato eine Bombardierung Serbiens vor. Die CIA war eingeladen worden, Ziele für die amerikanischen Kriegsflugzeuge auszusuchen. Die Aufgabe war der Abteilung AntiAtomwaffenverbreitung bei der CIA zugeteilt worden, der Gruppe, die Informationen über die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen analysierte. Die Analysten identifizierten das jugoslawische Bundesamt für Nachschub und Beschaffung in Belgrad, unter der Adresse Umetnosti Boulevard Nr. 2, als ideales Angriffsziel. Um den Ort zu lokalisieren, benutzten sie Stadtpläne für Touristen. Die Ortung wurde ins Pentagon durchgegeben, und die Koordinaten wurden in die Schaltkreise eines B-2-Tarnkappenbombers eingespeist.
Der Zielort wurde zerstört. Aber die CIA hatte die Stadtpläne nicht richtig gelesen. Das Gebäude war nicht das Waffendepot von Milošević. Es war die chinesische Botschaft.
»Die Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad war für mich eine äußerst unangenehme Erfahrung«, sagte Vice Admiral Thomas R. Wilson, der im Juli 1999 die Leitung des Nachrichtendienstes im Verteidigungsministerium übernommen hatte. »Ich war derjenige, der dem Präsidenten der Vereinigten Staaten das Foto von der chinesischen Botschaft zeigte – neben 900 anderen Fotos – und zu ihm sagte: Das hier werden wir bombardieren, weil es sich um das jugoslawische Amt für militärischen Nachschub handelt.« Das Bild hatte er von der CIA bekommen.
Der Fehler hatte unvorhergesehen gravierende Konsequenzen. Es dauerte lange, bevor das Weiße Haus und das Pentagon der CIA wieder zutrauten, irgendetwas – oder irgendjemanden – ins Fadenkreuz einer amerikanischen Rakete nehmen zu können.
»Ihr Amerikaner spinnt«
Das Militär und die Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten waren immer noch darauf eingestellt, gegen Armeen und Nationen zu kämpfen – Gegner also, die schwer zu liquidieren, aber auf der Weltkarte leicht zu lokalisieren waren. Der neue Feind war ein einzelner Mensch, der leicht zu liquidieren, aber schwer zu finden war. Er war ein Gespenst, das nachts in einem Geländewagen in Afghanistan herumfuhr.
Präsident Clinton unterzeichnete Geheimbefehle, die die CIA in seinen Augen ermächtigten, Bin Laden zu töten. Während der Turbulenzen um sein Amtsenthebungsverfahren tagträumte er öffentlich von amerikanischen Ninjas, die sich aus Hubschraubern abseilten, um den Saudi zu packen.
Tenet unterdrückte seine Zweifel an den nachrichtendienstlichen Fähigkeiten der CIA und an ihrem Vermögen, verdeckte Operationen durchzuführen. Aber er musste einen Angriffsplan entwerfen, bevor Bin Laden wieder zuschlug. Zusammen mit dem neuen Leiter der Antiterrorabteilung, Cofer Black, entwarf er im Spätsommer 1999 einen neuen Plan. Die CIA sollte mit alten Freunden und Feinden auf der ganzen Welt zusammenarbeiten, um Bin Laden und seine Gefolgschaft zu töten. Black vertiefte seine Beziehungen zu ausländischen Militärs, Nachrichten- und Sicherheitsdiensten an Orten wie Usbekistan und Tadschikistan an der Grenze zu Afghanistan. Man hoffte, dass sie den CIA-Agenten dabei helfen würden, auf afghanischem Boden Fuß zu fassen. Das Ziel war die Zusammenarbeit mit
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