CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Untersuchung darüber anzustellen, wie die CIA dazu kam, Saddam ein Waffenarsenal anzudichten. »Wenn die amerikanische Armee einen auch nur annähernd ähnlich schweren Fehler begangen hätte wie die Organisation unseres Nachrichtendienstes, dann wären zweifellos Generäle in die Wüste geschickt worden.«
Silberman räumte ein: »Es wäre gewiss gerechtfertigt gewesen, dem Präsidenten und dem Kongress zu erklären, Saddam besitze vermutlich Massenvernichtungswaffen – angesichts der Tatsache, dass er sie bereits früher eingesetzt hatte, dass es keinen sicheren Beweis für ihre Vernichtung gab und auch angesichts seiner vielen Täuschungsmanöver.« Aber mit ihrer Feststellung, »er verfüge mit neunzigprozentiger Sicherheit über Massenvernichtungswaffen, beging die CIA einen äußerst schweren Fehler«. Und nicht bloß aus der Rückschau war das »ein schwerer Fehler«, monierte Silberman. »Die Beweise waren äußerst dünn, einige ganz fehlerhaft und aus dubiosen Quellen gewonnen. Außerdem war die Kommunikation innerhalb der Organisation zutiefst gestört, sodass die rechte Hand oft nicht wusste, was die linke tat.«
Die Folgerung der CIA, dass der Irak chemische Waffen besitze, basierte letztlich auf falsch gedeuteten Fotos von irakischen Tanklastwagen. Die Annahme der CIA, der Irak verfüge über biologische Waffen, beruhte auf einer einzigen Quelle, dem Überläufer mit dem Decknamen »Effetball«. Die Behauptung der CIA, der Irak habe Atomwaffen, stützte sich praktisch zur Gänze auf die Tatsache, dass Saddam Aluminiumröhren für konventionelle Raketen eingeführt hatte. »Die Folgerung, dass diese Röhren als Zentrifugen für Atomwaffen geeignet oder zu diesem Zweck produziert worden seien, war eine unglaubliche Fehldeutung«, sagte Richter Silberman.
Und er fuhr fort: »Das Schlimme daran war, dass Colin Powell in seiner Rede vor den Vereinten Nationen die Informationen als unbezweifelbar dargestellt hatte, während sie in Wirklichkeit auf gänzlich wertlosem Beweismaterial beruhten.«
Richter Silberman und seine vom Präsidenten eingesetzte Kommission erhielten die bis dato nie gewährte Erlaubnis, alle Textstellen über die Massenvernichtungswaffen im Irak in den Lageberichten für den Präsidenten zu lesen. Sie stellten fest, dass sich die für den Präsidenten bestimmten Berichte der CIA von ihren übrigen Ergebnissen, einschließlich der berüchtigten Nationalen Lageeinschätzung, nicht unterschieden – außer in einer Hinsicht. Wie die Kommission feststellte, waren sie »noch irreführender«. Sie weckten »womöglich noch mehr Panik und waren noch weniger differenziert«. Die täglichen Bulletins für den Präsidenten erzeugten »mit ihren schrillen Überschriften und ihren monotonen Wiederholungen den Eindruck von vielen einander bestätigenden Informationen, wo es in Wirklichkeit nur sehr wenige Informationsquellen gab. (...) Auf subtile oder auch weniger subtile Art schienen die Tagesberichte Nachrichten zu ›verkaufen‹, um das Interesse der Kunden oder wenigstens des Hauptkunden wachzuhalten.«
»Wir haben den Auftrag nicht erfüllt«
George Tenet sah, dass seine Zeit um war. Er hatte getan, was er konnte, um die CIA wieder zum Leben zu erwecken und zu erneuern. Aber man wird sich seiner nur im Zusammenhang damit erinnern, dass er dem Präsidenten versichert hatte, die CIA habe einen »todsicheren« Beweis dafür, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitze. Rückschauend sagte Tenet: »Das war der dümmste Satz meines Lebens.« Egal, wie lang er leben, egal auch, welche guten Taten er in Zukunft vollbringen wird, mit diesem Satz wird sein Nachruf beginnen.
Man muss Tenet zugutehalten, dass er Richard Kerr, den früheren Stellvertretenden Direktor des Nachrichtendienstes, aufforderte, zu untersuchen, was bei der Einschätzung des Irak schiefgelaufen war. Als die Untersuchung im Juli 2004 beendet war, wurde sie zur Geheimsache erklärt und blieb das fast zwei Jahre lang. Als man sie der Öffentlichkeit zugänglich machte, wurde klar, warum die Organisation sie unter Verschluss gehalten hatte. Sie war ein Epitaph. Sie besagte, dass die CIA gegen Ende des Kalten Krieges praktisch nicht mehr existierte. Der Zerfall der Sowjetunion habe eine ähnliche Auswirkung auf die CIA gehabt »wie der des Meteoriteneinschlags auf die Dinosaurier«.
Im Fall des Irak und auch in vielen anderen Fällen fanden sich die Analysten regelmäßig gezwungen, sich »auf Nachrichten zu verlassen,
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