CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
deren Quellen irreführend oder gar unzuverlässig waren«. Im notorischen Fall des Überläufers »Curveball« hatte man die CIA-Beamten sogar darauf aufmerksam gemacht, dass der Mann ein Lügner sei. Diese Warnung wurde ignoriert. Das war zwar keine direkte Pflichtverletzung, kam dem aber doch sehr nahe.
Der Geheimdienst benutzte routinemäßig verschiedene Darstellungen für ein und dieselbe Nachricht, sodass diejenigen, die den Bericht lasen, glaubten, sie hätten drei einander ergänzende Informationen, obwohl es sich nur um eine einzige handelte. Das war kein direkter Betrug, kam dem aber doch sehr nahe.
Die CIA war seit mehr als zehn Jahren der Frage des irakischen Waffenarsenals nachgegangen, und gleichwohl hatte Tenet am Vorabend des Krieges George W. Bush und Colin Powell gegenüber die als Fakten verkleideten Unwahrheiten dramatisiert. Das war kein Verbrechen, kam dem aber doch sehr nahe.
Tragischerweise war das Tenets Vermächtnis. Er gab schließlich zu, dass die CIA falsch gehandelt hatte – nicht »aus politischen Gründen oder aus einem starken Verlangen heraus, das Land in den Krieg zu führen« – sondern aus Inkompetenz. »Wir haben den Auftrag nicht erfüllt«, sagte er.
Es blieb David Kay, dem leitenden Waffeninspektor der CIA, vorbehalten, die Bedeutung dieses Versagens im Einzelnen zu erläutern. »Wir glauben immer, dass die Nachrichtendienste entscheidend dazu beitragen, Kriege zu gewinnen«, sagte er. »Kriege werden nicht durch Nachrichtendienste gewonnen. Sie werden gewonnen mit dem Blut, dem Edelmut und der Furchtlosigkeit der jungen Männer und Frauen, die wir ins Schlachtfeld schicken. (...) Ein wirklich guter Nachrichtendienst hilft, Kriege zu vermeiden.« Und genau in diesem Punkt hatte die CIA grundlegend versagt.
50 »Die Beerdigungszeremonie«
Nach sieben Jahren im Amt trat Tenet am 8.Juli 2004 ab. In seiner Abschiedsrede in der CIA-Zentrale zitierte er die Worte von Teddy Roosevelt: Weder der Kritiker zählt noch derjenige, der darlegt , auf welche Weise der Starke zu Fall kommt oder wie der Held hätte handeln müssen. Achtung gebührt dem Mann in der Arena, dessen Antlitz von Staub, Schweiß und Blut verkrustet ist. Richard Nixon hatte am Tag, bevor er, mit Schande bedeckt, das Weiße Haus verließ, dasselbe Zitat benutzt.
Tenet zog sich zurück, um schmerzliche persönliche Erinnerungen an seine Zeit bei der CIA niederzuschreiben. Heraus kam ein von Stolz und Verbitterung geprägtes Buch. Zu Recht rühmte er sich des Erfolgs, den die CIA – mit der gar nicht hoch genug zu veranschlagenden Hilfe des britischen Nachrichtendienstes – bei der Beendigung der geheimen Rüstungsprogramme Pakistans und Libyens errungen hatte. Er beanspruchte, die Agency aus einer Bruchbude in eine Kraftmaschine verwandelt zu haben. Die Maschine freilich sei unter unerträglichem Druck zerborsten. Vor dem 11.September habe er nicht gegen Al Qaida zuschlagen können: »Ohne handfeste Informationen«, schrieb er, »ist jede verdeckte Aktion ein Schuss ins Blaue.« Und nach den Anschlägen seien sie von einer Flut von Drohungen überrollt worden, die nie Gestalt angenommen hätten. Jeden Tag habe er die neuesten Schreckensvisionen ans Weiße Haus weitergegeben, und »man wäre wahnsinnig geworden, wenn man allen oder auch nur der Hälfte davon Glauben geschenkt hätte«. Bei ihm habe dazu nicht mehr viel gefehlt. Von ihrer Ungewissheit gelähmt, habe sich die CIA eingeredet, dass es im Irak ein Waffenarsenal gebe. »Wir waren Gefangene unserer eigenen Geschichte«, schrieb er, denn die einzigen gesicherten Informationen, über die sie verfügten, seien vier Jahre alt gewesen. Er gab zu, sich geirrt zu haben, aber er sprach als ein Sünder, der um Absolution fleht. Tenet gewann die Überzeugung, dass das Weiße Haus ihm die Entscheidung für den Krieg anlasten wollte. Unter dem Gewicht dieses Vorwurfs brach er zusammen.
Und jetzt übernahm der Kritiker die Rolle des Mannes in der Arena.
Porter Goss war bei der CIA nie besonders erfolgreich gewesen. Nachdem er 1995, als junger Student in Yale, angeheuert worden war, ging er in den Geheimdienst und diente unter Allen Dulles, John McCone und Richard Helms. Zehn Jahre lang arbeitete er in der Abteilung Lateinamerika. Seine Schwerpunkte waren Kuba, Haiti, die Dominikanische Republik und Mexiko. Der Höhepunkt seiner Tätigkeit am Standort Miami bestand darin, dass er im Herbst 1962 kubanische Agenten in kleinen Booten und im Schutz der Nacht auf
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