CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
selbst äußerte die nur allzu berechtigte Befürchtung: »Ohne Zweifel wissen die Russen, dass wir diese Operation durchführen.«
»Wir wollten da nicht ran«, sagte Peter Sichel, damals in der CIA-Zentrale verantwortlich für die deutschen Operationen. »Das hatte gar nichts mit Moral oder Ethik zu tun, sondern in erster Linie etwas mit Sicherheit.«
Doch im Juli 1949 übernahm die CIA, unter dem hartnäckigen Druck der Armee, die Organisation Gehlen. Gehlen residierte in einem außerhalb Münchens gelegenen ehemaligen Nazi-Hauptquartier und nahm Dutzende prominenter Kriegsverbrecher mit offenen Armen in seinen Kreis auf. Ganz wie Helms und Sichel befürchtet hatten, war die Organisation Gehlen auf höchster Ebene von den Nachrichtendiensten Ostdeutschlands und der Sowjetunion unterwandert. Der schlimmste Maulwurf kam erst ans Tageslicht, als sich die Organisation Gehlen schon längst in den westdeutschen Bundesnachrichtendienst verwandelt hatte. Gehlens langjähriger Chef der Spionageabwehr hatte die ganze Zeit für Moskau gearbeitet.
Nach den Worten von Steve Tanner, damals junger CIA-Mitarbeiter der Operationsbasis München, konnte Gehlen die amerikanischen Nachrichtendienstler davon überzeugen, dass er in der Lage sei, mit seinen Missionen ins Herz der Sowjetmacht zu zielen. »Und da wir uns selber dabei so schwertaten«, erinnert sich Tanner, »schien es blödsinnig, nicht den Versuch zu machen.«
»Wir würden nicht stillsitzen«
Tanner war ein ehemaliger Mitarbeiter des Heeresnachrichtendienstes, der eben seinen Abschluss in Yale gemacht hatte und 1947 von Richard Helms engagiert wurde, einer der ersten 200 CIA-Beamten, die ihren Diensteid ablegten. In München bestand seine Aufgabe darin, Agenten anzuwerben, die für die Vereinigten Staaten Geheiminformationen hinter dem Eisernen Vorhang sammeln sollten.
Fast jede wichtige Sowjetrepublik und jeder größere osteuropäische Staat hatte mindestens eine Emigrantengruppe, die sich selbst für eminent wichtig hielt und von der CIA in München und Frankfurt unterstützt werden wollte. Einige der Männer, die Tanner als potenzielle Spione ins Auge fasste, waren Osteuropäer, die sich gegen Russland gestellt und auf die Seite Deutschlands geschlagen hatten. Unter ihnen waren »Leute mit faschistischer Vergangenheit, die ihre weitere Karriere sichern wollten, indem sie sich den Amerikanern andienten«, sagt Tanner, der sie mit Argwohn betrachtete. Die Nichtrussen »hatten einen wilden Hass auf die Russen«, so Tanner weiter, »und standen automatisch auf unserer Seite«. Andere, die aus weit abgelegenen Sowjetrepubliken geflohen waren, suchten ihre Macht und ihren Einfluss maßlos zu übertreiben. »Diese Emigrantengruppen wollten die US-Regierung nur deshalb von ihrer Wichtigkeit und ihrem Nutzen überzeugen, damit sie in der einen oder anderen Form Unterstützung bekamen.«
Da Tanner keinerlei Richtlinien aus Washington hatte, schrieb er sie sich selbst: Eine Emigrantengruppe, die von der CIA unterstützt werden wollte, musste in der Heimat und nicht in einem Münchner Café gegründet worden sein. Sie musste Kontakte zu antisowjetischen Gruppen in ihrem Herkunftsland haben. Sie durfte sich nicht durch Kollaboration mit den Nationalsozialisten diskreditiert haben. Im Dezember 1948, nach langer und sorgfältiger Prüfung, meinte Tanner eine Gruppe von Ukrainern gefunden zu haben, die die Unterstützung der CIA verdiente. Die Gruppe nannte sich »Hoher Rat für die Befreiung der Ukraine«. Ihre Münchner Mitglieder waren die politischen Repräsentanten der im Heimatland Kämpfenden. Der Hohe Rat sei, so berichtete Tanner der Zentrale, moralisch und politisch unbedenklich.
Tanner verbrachte Frühjahr und Sommer 1949 mit Vorbereitungen für die Einschleusung seiner Ukrainer auf die andere Seite des Eisernen Vorhangs. Monate zuvor waren die Männer als Kuriere aus den Karpaten gekommen, mit Botschaften aus dem ukrainischen Untergrund, geschrieben auf dünnes Papier, das zu Knäueln gefaltet und dann zusammengenäht worden war. Diese Papierfetzen galten als Indiz für eine entschlossene Widerstandsbewegung, die Informationen über Ereignisse in der Ukraine beschaffen und vor einem sowjetischen Angriff auf Westeuropa warnen konnte. Im Hauptquartier hegte man sogar noch größere Hoffnungen. Die CIA war der Ansicht, dass »die Existenz dieser Bewegung Auswirkungen auf den Verlauf eines offenen Konflikts zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion haben
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