CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Viererteams, die mit Flugzeugen ohne Hoheitskennzeichen weit ostwärts, sogar bis zum Stadtrand von Moskau, vordrangen. Einer nach dem anderen schwebten die Solidaristen auf russischen Boden nieder; einer nach dem anderen wurden sie gejagt, geschnappt und getötet. Auch in diesem Fall lieferte die CIA ihre Agenten direkt an die Geheimpolizei aus.
»Es war eine durch und durch schlechte Idee«, sagte Coffin, lange nachdem er die CIA verlassen hatte und sich in den sechziger Jahren als Reverend William Sloane Coffin, als Kaplan von Yale und einer der vehementesten Kriegsgegner in den USA einen Namen machte. »Beim Umgang mit der Macht Amerikas waren wir ziemlich blauäugig.« Fast ein Jahrzehnt verging, ehe die CIA – wörtlich – eingestand: »Die Unterstützung von Emigranten für einen möglichen Krieg mit oder ohne Revolution in der UdSSR war unrealistisch.«
Alles in allem wurden Hunderte ausländischer CIA-Agenten in Russland, Polen, Rumänien, der Ukraine und den baltischen Staaten während der fünfziger Jahre in den Tod geschickt. Über ihr Schicksal gibt es keine Unterlagen; nicht ein einziges Mal wurde Bericht erstattet oder jemand wegen seines Versagens zur Rechenschaft gezogen. Bei ihren Missionen, so die allgemeine Auffassung, ging es um das nationale Überleben der Vereinigten Staaten. Nur Stunden bevor Tanners Leute im September 1949 zu ihrem ersten Flug starteten, hatte die Besatzung einer Militärmaschine, die Alaska verließ, Spuren von Radioaktivität in der Atmosphäre festgestellt. Während am 20.September die Ergebnisse ihrer Entdeckung analysiert wurden, erklärte die CIA voller Zuversicht, die Sowjetunion würde noch mindestens vier Jahre lang keine Atomwaffen herstellen können.
Drei Tage später teilte Truman der Welt mit, dass Stalin die Bombe hatte.
Am 29.September berichtete der Chef des CIA-Büros für wissenschaftliche Aufklärung (OSI), er sei außer Stande, seinen Auftrag zu erfüllen. Ihm fehlten die Fachkräfte, die er brauchte, um den Versuchen Moskaus, Massenvernichtungswaffen herzustellen, nachforschen zu können. Die Arbeit der Agency zur Frage der sowjetischen Atomwaffen, so heißt es in diesem Bericht, sei ein »fast völliger Fehlschlag« gewesen; ihre Spione besäßen keinerlei wissenschaftliche oder technische Daten über die sowjetische Bombe, und ihre Analysten hätten sich mit groben Schätzungen begnügt. Warnend wies er darauf hin, dass dieses Versagen für die Vereinigten Staaten »katastrophale Folgen« haben könnte.
In wilder Hektik befahl das Pentagon der CIA, ihre Agenten nach Moskau zu versetzen, um die militärischen Pläne der Roten Armee an sich zu bringen. »Damals«, so bilanzierte Richard Helms später, »war die Möglichkeit, solche Informanten anzuwerben und einzusetzen, so irreal wie die Ansiedlung von Spionen auf dem Planeten Mars.«
Und dann, am 25.Juni 1950, standen die Vereinigten Staaten ohne jede Vorwarnung vor einem Überraschungsangriff, der sich wie der Beginn des Dritten Weltkrieges ausnahm.
6 »Es waren Selbstmordmissionen«
Der Koreakrieg war der erste große Test für die CIA. Und mit ihm erhielt sie die erste Führungspersönlichkeit an ihrer Spitze: General Walter Bedell Smith. Vor Ausbruch des Krieges hatte Truman ihn gebeten, die CIA zu retten. Aber der General kehrte nach seiner Amtszeit als US-Botschafter in Moskau mit einem Magengeschwür zurück, das ihn beinahe das Leben kostete. Als die Meldungen über die koreanische Invasion eintrafen, lag er im Walter-Reed-Militärhospital, wo man ihm zwei Drittel seines Magens entfernte. Truman bedrängte ihn mit Bitten, aber einen Monat lang ließ er sich entschuldigen, weil er abwarten wollte, ob er überlebte. Dann verwandelte sich die Bitte in einen Befehl, und Bedell Smith wurde Direktor des zentralen Nachrichtendienstes, der vierte innerhalb von vier Jahren.
Seine Aufgabe bestand darin, etwas über die geheimen Absichten des Kreml zu erfahren, und er wusste, wie seine Chancen dafür standen. »Soweit ich weiß, gibt’s nur zwei Personen, die das schaffen könnten«, teilte er den fünf Senatoren am 24.August in einer Anhörung zu seinem Amtsantritt mit, zu der er einen neu erworbenen vierten Stern, eine Auszeichnung des Präsidenten, trug. »Der eine ist Gott, der andere Stalin, und ich weiß nicht mal, ob Gott es schaffen kann, weil ich nicht weiß, ob er eng genug mit Onkel Joe liiert ist, um zu wissen, worüber er redet.« Zu dem, was ihn in der CIA erwartete, sagte er:
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