CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
»adäquater Nachrichtendienst«, und es würde »jahrelanger geduldiger Arbeit« bedürfen, um sie gründlich umzugestalten. Was jetzt gebraucht werde, sei ein beherzter neuer Mann an der Spitze – und dessen Identität war kein Geheimnis. Hillenkoetter bemerkte voll Bitterkeit, Allen Dulles brauche nur noch seinen Namen an die Tür des Direktorenbüros zu schlagen. Als der Bericht im Januar 1949 an seinem Bestimmungsort ankam, war Truman wiedergewählt worden, und Dulles hatte sich so eng an die Republikanische Partei gebunden, dass seine Ernennung politisch undenkbar war. Hillenkoetter blieb und machte die CIA praktisch führerlos. Der Nationale Sicherheitsrat wies ihn an, den Bericht in die Praxis umzusetzen, was er aber nie tat.
Dulles ließ nun seine Washingtoner Freunde wissen, der Präsident werde im Ausland eine Katastrophe erleben, wenn niemand bei der CIA energisch durchgreife. Ein Chor von Stimmen pflichtete ihm bei. Dean Acheson, damals schon Außenminister, bekam zu hören, die CIA »schmelze erhitzt vor Verwirrung und Verdrossenheit dahin«. Überbringer dieser Botschaft war Kermit »Kim« Roosevelt, Theodore Roosevelts Enkel, Franklin D. Roosevelts Cousin und späterer Leiter der Nahost- und Südasienabteilung in der CIA. John Ohly, Forrestals Berater in Fragen des Nachrichtendienstes, warnte seinen Chef: »Der größte Schwachpunkt der CIA geht auf den Typus und die Qualität ihrer Beschäftigten zurück sowie auf die Methoden, mit denen sie angeworben werden.« Er stellte fest, »dass sich die Stimmung unter besser qualifizierten zivilen Mitarbeitern, die in der CIA eine Berufslaufbahn einschlagen möchten, total verschlechtert und dass viele fähige Leute gegangen sind, weil sie die Situation einfach nicht mehr ausgehalten haben«. Und was noch schlimmer sei: »Die meisten der in der Agency verbliebenen kompetenten Mitarbeiter haben beschlossen, dass sie definitiv kündigen werden, wenn sich in den nächsten Monaten nichts ändert. Wenn diese qualifizierten Fachkräfte weg sind, wird die CIA in einem Sumpf versinken, aus dem man sie nur mit großer Schwierigkeit wieder herausziehen kann, sofern das überhaupt möglich ist.« Dann wäre sie »auf praktisch unabsehbare Zeit zu mangelhafter bis bestenfalls mittelmäßiger Arbeit als Nachrichtendienst« verdammt. Diese Sätze hätten ein halbes Jahrhundert später geschrieben sein können. Sie wären eine präzise Darstellung der Nöte, mit denen die CIA im Jahrzehnt nach dem Fall des Sowjetkommunismus zu tun hatte. Die Reihen der kompetenten amerikanischen Spione waren gelichtet, die Zahl der tüchtigen ausländischen Agenten ging gegen null.
Die Leistungsfähigkeit der CIA war freilich nicht das einzige Problem. Unter dem Druck des Kalten Krieges gingen die Männer, die neu an der Spitze der amerikanischen Sicherheitsbehörden standen, in die Knie.
James Forrestal und George Kennan waren die Schöpfer und Kommandeure der CIA-Geheimoperationen. Aber sie erwiesen sich als unfähig, die Maschinerie, die sie in Gang gesetzt hatten, unter Kontrolle zu halten. Kennan litt an krankhafter Erschöpfung und suchte Zuflucht in der Abgeschiedenheit der Kongressbibliothek. Forrestal war völlig mit den Nerven runter. Am 28.März 1949 trat er von seinem Amt als Verteidigungsminister zurück. Am letzten Arbeitstag brach er zusammen und stöhnte, er habe monatelang nicht mehr geschlafen. Dr.William C. Menninger, der bekannteste Psychiater der USA, fand Forrestal mitten in einem psychotischen Schub vor und überwies ihn in die Psychiatrie des Bethesda-Marinehospitals.
Nach 50 Nächten, in denen ihn gespenstische Erinnerungen heimsuchten, verbrachte Forrestal seine letzten Stunden mit der Abschrift von Versen – ins Englische übertragene Sätze des Chors aus dem Ajax-Drama des Sophokles –, die er mitten im Wort Nightingale abbrach. Er schrieb »Nacht«, und dann stürzte er aus dem Fenster des 16. Stockwerks in den Tod. Nightingale war der Codename einer ukrainischen Widerstandstruppe, die Forrestal ermächtigt hatte, einen Geheimkrieg gegen Stalin zu führen. An ihrer Spitze standen Nazi-Kollaborateure, die im Zweiten Weltkrieg hinter den deutschen Linien Tausende von Menschen umgebracht hatten. Ihre Mitglieder waren darauf vorbereitet, für die CIA jenseits des Eisernen Vorhangs mit dem Fallschirm abzuspringen.
5 » Ein reicher Blinder«
Im Zweiten Weltkrieg machten die Vereinigten Staaten gemeinsame Sache mit den Kommunisten, um gegen die Faschisten
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