CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
wildere Pläne, immer schlampigeres Training, immer verzweifeltere Albaner, immer größere Gewissheit, dass sie geschnappt würden. Wer von den Agenten überlebte, wurde gefangen genommen, und seine Häscher steuerten seine Nachrichten an das Athener Büro.
»Was haben wir falsch gemacht?«, fragte sich CIA-Mann John Limond Hart, der damals die albanischen Agenten in Rom führte. Erst nach Jahren begriff die CIA, dass die Sowjets von Beginn an über alle Einzelheiten der Operation im Bilde waren. Die Trainingscamps in Deutschland waren infiltriert. Die albanische Exilgemeinde in Rom, Athen und London war durchsetzt mit Verrätern. Und James J. Angleton – der Mann, der in der Zentrale für die Sicherheit der Geheimoperationen verantwortlich war und die CIA gegen Doppelagenten schützen sollte – hatte die Operation mit seinem besten Freund im britischen Nachrichtendienst abgesprochen: dem Sowjetspion Kim Philby, Londons Verbindungsmann zur CIA.
Von einem gesicherten Raum im Pentagon aus, Wand an Wand mit dem Vereinigten Generalstab, arbeitete Philby für Moskau. Seine Freundschaft mit Angleton wurde besiegelt mit dem kalten Kuss des Gins und der heißen Umarmung des Whiskys. Er war ein phänomenaler Trinker, der jeden Tag den Inhalt einer ganzen Schnapsflasche in sich hineinkippte, und Angleton war dabei, sich in der CIA den Titel eines Meisteralkoholikers zu verdienen, und zwar gegen scharfe Konkurrenz. Über ein Jahr lang gab Angleton, vor und nach so mancher flüssigen Mahlzeit, die präzisen Koordinaten für die Absprungzone jedes einzelnen Agenten, den die CIA mit dem Fallschirm über Albanien absetzte, an Philby weiter. Obgleich ein Fehlschlag auf den anderen, ein Tod auf den anderen folgte, wurden die Flüge vier Jahre lang fortgesetzt. Etwa 200 ausländische Agenten der CIA kamen dabei ums Leben. So gut wie niemand in der amerikanischen Regierung wusste davon. Es gehörte zum Allergeheimsten.
Als die Operation vorüber war, wurde Angleton zum Leiter der Spionageabwehr befördert. Diesen Posten hatte er 20 Jahre lang inne. Im Rausch nach dem Mittagessen, wenn sein Bewusstsein zum undurchdringlichen Labyrinth und sein Gehirnkasten zum schwarzen Loch wurde, fällte er seine Urteile über jede Operation und jeden Mann, den die CIA gegen die Sowjets ins Feld schickte. Er gelangte zu der Überzeugung, die amerikanische Auffassung von der Welt müsse von einem umfassenden sowjetischen Komplott gesteuert sein, und nur er, er allein, begreife das ganze Ausmaß der Täuschung. So manövrierte er die Operationen der CIA immer tiefer in ein finsteres Chaos hinein.
»Eine durch und durch schlechte Idee«
Anfang 1950 gab Wisner den Befehl zu einem neuen Angriff auf den Eisernen Vorhang. Die Aufgabe ging an einen weiteren Yale-Absolventen in München namens Bill Coffin, ein frisch angeworbener junger Mann mit der besonderen antikommunistischen Inbrunst des leidenschaftlichen Sozialisten. »Nicht immer heiligt der Zweck die Mittel«, so Coffin über seine Jahre bei der CIA, »aber nur er kann es tun.«
Zur CIA kam Coffin über einen Verwandten, seinen Schwager Frank Lindsay, Wisners Mann für die Operationen in Osteuropa, der ihn für den Nachrichtendienst anwarb. »Als ich in die CIA eintrat«, erinnerte sich Coffin im Jahr 2005, »sagte ich ihnen, ich will keine Spionage machen, ich will politische Untergrundarbeit machen. Die Frage war nur: Dürfen Russen im Untergrund arbeiten? Und damals schien mir das moralisch ganz und gar akzeptabel.« In den letzten zwei Kriegsjahren war er Verbindungsmann der US-Armee zu den sowjetischen Befehlshabern gewesen. Er hatte an der Zwangsrepatriierung sowjetischer Soldaten mitgewirkt. Seither lastete ein schweres Schuldgefühl auf ihm, das auch Einfluss auf seine Entscheidung hatte, zur CIA zu gehen.
»Ich hatte eingesehen, dass sich Hitler in manchem neben Stalin wie ein Waisenknabe ausnahm«, so Coffin. »Ich war sehr gegen die Sowjets, aber sehr für die Russen.«
Wisner investierte seine Geldmittel in den so genannten Bund russischer Solidaristen (NTS), eine Gruppierung, die so extrem rechts stand, wie es im Europa nach Hitler nur denkbar war. Bis auf wenige CIA-Leute, die wie Coffin Russisch sprachen, konnte niemand mit ihnen arbeiten. Zusammen mit der CIA schmuggelten die russischen Solidaristen zunächst Flugblätter in die sowjetischen Kasernen Ostdeutschlands. Dann schickten sie Ballons mit Tausenden von Flugblättern los und später Fallschirmspringer in
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