CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
ein Schwelbrand in den Reihen der verbliebenen Beamten ausbreitete. Die CIA-Beamten in Bagdad und in Washington versuchten darauf aufmerksam zu machen, dass die vom Präsidenten im Irak verfolgte Strategie in ein Desaster führte. Sie erklärten, die Vereinigten Staaten könnten nicht ein Land verwalten, das sie nicht verstanden. Ihre Worte hatten im Weißen Haus keinerlei Gewicht. In einer Regierung, deren Politik auf blindem Glauben beruhte, waren sie ketzerisch.
Vier ehemalige Direktoren des Geheimdienstes versuchten, Goss zu größerer Vorsicht zu bewegen, weil er sonst noch das zerstören werde, was von der CIA übrig geblieben war. Er nahm ihre Appelle nicht zur Kenntnis. Einer von ihnen ging an die Öffentlichkeit. »Goss kann mit seiner Mission binnen kurzem großen Schaden anrichten«, schrieb Tom Twetten am 23.November 2004 auf der Meinungsseite der Los Angeles Times . »Wenn die hauptamtlichen Mitarbeiter der Organisation nicht den Eindruck haben, dass die Organisationsleitung ihnen Rückendeckung gibt, werden sie kein Risiko mehr für sie eingehen, und schließlich werden sie kündigen.« Anderntags stieß John McLaughlin, der die Agency nach Tenets Rücktritt als Interimsdirektor zusammengehalten hatte, ins gleiche Horn. Die CIA sei keine »aus dem Ruder gelaufene« oder »verantwortungslose« Truppe, schrieb er in der Washington Post . »Die Institution der CIA intrigiert nicht gegen den Präsidenten.« Haviland Smith, der pensionierte Leiter der Antiterrorismusgruppe, legte nach: »Porter Goss und seine Truppe vom Kapitol erzeugen Chaos. Wenn man in der CIA zu diesem unglücklichen Zeitpunkt, wo wir uns den realen Auswirkungen des Terrorismus stellen müssen, Säuberungsaktionen startet, dann ist das so, als ob man sich die Nase abschneidet, um sein Gesicht zu ärgern.« In all den Jahren, in denen die CIA in der Presse Prügel bezogen hatte, war es noch nie vorgekommen, dass der Direktor schriftlich und offiziell von den erprobtesten Beamten des amerikanischen Nachrichtendienstes angegriffen wurde.
Die Maske fiel. Die CIA riss sich selbst in Stücke.
»Hier haben wir eine der sonderbarsten Unternehmungen, die jemals von einer Regierung ins Leben gerufen wurde«, hatte Eisenhower vor fünfzig Jahren erklärt. »Es bedarf vermutlich einer seltsamen Sorte Genie, sie zu leiten.« Neunzehn Männer hatten der CIA als Direktoren vorgestanden. Keiner von ihnen hatte die hohen Maßstäbe erfüllt, die Präsident Eisenhower angelegt hatte. Ihre Ignoranz hatte die Begründer der Organisation in Korea und Vietnam zu Fall gebracht, und in Washington hatten sie mit ihrer Arroganz sich selbst das Grab geschaufelt. Ihre Nachfolger verloren die Orientierung, als die Sowjetunion zusammenbrach, und waren unvorbereitet, als der Terror das Zentrum der amerikanischen Macht attackierte. Ihre Versuche, sich die Welt zu erklären, hatten Reibungshitze, aber nur wenig Licht erzeugt. Wie zu Anfang wurden sie von den Kriegern im Pentagon und von den in Staatsdiensten stehenden Diplomaten verachtet.
Präsidenten wurden seit über einem halben Jahrhundert frustriert oder fuchsteufelswild, wenn sie sich an die Direktoren wandten, um Erkenntnisse oder Wissen zu erlangen.
Nachdem sich ihr Auftrag als unerfüllbar erwiesen hatte, wurde er fallen gelassen.
Im Dezember 2004, als der Aufruhr in der CIA noch voll im Gange war, erließ der Kongress ein neues Gesetz, das der Präsident unterzeichnete und das die Einrichtung eines Nationalen Nachrichtendienstes verfügte, wie es der 9/11-Ausschuss gefordert hatte. Das in aller Eile entworfene und unter Zeitdruck im Kongress verhandelte Gesetz trug in keiner Weise dazu bei, die chronischen und angeborenen Fehler, die die Organisation von Anfang an belasteten, zu beheben. Es handelte sich lediglich um ein als Neubeginn verkleidetes »Weiter so«.
Goss hoffte, vom Präsidenten berufen zu werden. Er täuschte sich. Am 17.Februar 2005 nominierte Bush den amerikanischen Botschafter im Irak, John D. Negroponte. Negroponte, ein strikt konservativer Diplomat und ein verbindlicher, scharfsinniger und geschickter Taktierer, hatte noch nie im Geheimdienst gearbeitet und sollte auch nur kurze Zeit im Amt bleiben.
Wie im Jahr 1947 wurde dem neuen Gewalthaber Verantwortung übertragen, ohne dass man ihn mit der entsprechenden Autorität ausstattete. Noch immer kontrollierte das Pentagon den Großteil des Budgets für Nationale Sicherheit, das jährlich fast 500 Milliarden Dollar betrug und wovon
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