CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
er erklärte: »Das Recht einer Nation, selbst eine Regierung zu bilden und ein Wirtschaftssystem aufzubauen, ist unveräußerlich«, und »jeder Versuch einer Nation, anderen ihre Regierungsform vorzuschreiben, ist unvertretbar«. Beim Leiter des Teheraner CIA-Büros, Roger Goiran, schlugen diese Gedanken ein wie eine Bombe. Er fragte in der Zentrale nach, warum die Vereinigten Staaten sich der Tradition des britischen Kolonialismus im Mittleren Osten anschließen wollten. Das sei ein historischer Fehler, so Goiran, und auf lange Sicht verheerend für die amerikanischen Interessen. Allen Dulles rief ihn nach Washington zurück und enthob ihn seines Postens. Loy Henderson, der US-Botschafter im Iran, der von Beginn an in die Pläne eingeweiht war, wandte sich mit Nachdruck gegen die Entscheidung der Briten, ausgerechnet den als Lebemann bekannten pensionierten Generalmajor Faslollah Sahedi zum Spitzenmann des Staatsstreichs zu erheben. Mossadegh hatte dem Botschafter mitgeteilt, er wisse, dass Sahedi ein von den Briten protegierter Verräter sei.
Ungeachtet dessen wurde Sahedi, der Einzige, der sich ganz offen um die Macht bewarb und als pro-amerikanisch galt, von den Briten nominiert und von der CIA unterstützt. Ende April, nach der Entführung und Ermordung des iranischen Polizeipräsidenten, tauchte er unter – mit gutem Grund, denn die mutmaßlichen Mörder waren seine eigenen Anhänger. Elf Wochen lang tauchte er nicht mehr auf.
Im Mai gewann die Verschwörung an Schubkraft, obgleich sie noch immer nicht das Plazet des US-Präsidenten hatte. Mittlerweile war man beim letzten Entwurfsstadium angelangt. Sahedi, ausgerüstet mit 75 000 Dollar von der CIA, sollte ein Militärsekretariat bilden und zur Durchführung des Putsches mehrere Obersten auswählen. Eine Gruppe von religiösen Fanatikern, die sich Krieger des Islam nannten – eine »Terrorbande«, wie es in einer historischen CIA-Studie über den Staatsstreich heißt –, sollte politische und persönliche Anhänger Mossadeghs innerhalb und außerhalb der Regierung mit Morddrohungen überziehen. Diese »Krieger« sollten Anschläge auf geachtete religiöse Führer durchführen, und zwar so, dass sie als das Werk der Kommunisten erschienen. Im Rahmen einer 150 000 Dollar teuren Propaganda-Kampagne zur Steuerung der iranischen Presse und der öffentlichen Meinung verfasste die CIA Flugschriften und Plakate, die Behauptungen verbreiteten wie: »Mossadegh begünstigt die Tudeh-Partei und die UdSSR (…) Mossadegh ist ein Feind des Islam (…) Mossadegh zerstört planmäßig die Moral der Armee (…) Mossadegh führt das Land vorsätzlich in den wirtschaftlichen Zusammenbruch (…) Mossadegh ist durch Macht korrumpiert.« Am Tag X sollten die Verschwörer unter Führung von Sahedis Militärsekretariat das Hauptquartier des Heeresgeneralstabs, Radio Teheran, Mossadeghs Wohnhaus, die Zentralbank, die Polizeizentrale sowie Fernsprechund Telegrafenamt besetzen. Mossadegh und seine Minister sollten verhaftet werden. Weitere Gelder, 11 000 Dollar pro Woche, gingen direkt in die Bestechung von Parlamentsabgeordneten, um sicherzustellen, dass eine Mehrheit Sahedi zum neuen Premierminister ausrufen würde. Diese letzte Maßnahme hatte den Vorteil, dem Staatsstreich den Anschein von Rechtmäßigkeit zu verleihen. Sahedi seinerseits sollte seine Loyalität gegenüber dem Schah bekunden und dessen Monarchie wieder an die Macht bringen.
Aber würde der willensschwache Schah seine Rolle spielen? Botschafter Henderson war überzeugt, dass er nicht das Rückgrat hatte, um einen Putsch zu unterstützen. Roosevelt hingegen meinte, es wäre aussichtslos, die Sache ohne ihn durchzuziehen.
Am 15.Juni flog Roosevelt nach London, um den Spezialisten des britischen Nachrichtendienstes seinen Plan vorzustellen. Das Treffen fand in einem Konferenzraum der Zentrale statt, wo auf einem Schild zu lesen war: »Gäste bitte an der Leine führen.« Es kamen keine Einwände. Die Rechnung wurde ja von den Amerikanern bezahlt. Die Briten hatten sich den Staatsstreich zwar ausgedacht, aber ihre Spitzenpolitiker konnten das Kommando über seine Durchführung nicht übernehmen. Am 23.Juni unterzog sich Außenminister Anthony Eden in Boston einer umfangreichen Darmoperation. Am selben Tag erlitt Winston Churchill einen schweren Schlaganfall und war dem Tod nahe; die Nachricht wurde so geheim gehalten, dass die CIA nichts davon erfuhr.
In den folgenden zwei Wochen baute die Agency eine
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