CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Roosevelts Erektion. Weil Roosevelt und die CIA ihre Zusagen in Sachen Militärhilfe nicht einhalten konnten, beschloss Nasser, im Tausch gegen Waffen Baumwolle an die Sowjetunion zu verkaufen. Im Juli 1956 dann schüttelte er mit der Verstaatlichung der Suez Canal Company, jener von Großbritannien und Frankreich geschaffenen Gesellschaft zum Betrieb der künstlichen Wasserstraße für die Handelsschifffahrt zwischen Mittelmeer und Indischem Ozean, endgültig das Erbe des Kolonialismus ab. London und Paris schäumten ob dieser Ungeheuerlichkeit.
Die Briten erwogen die Ermordung Nassers und zogen sogar eine Umlenkung des Nils in Betracht, um Ägyptens Streben nach wirtschaftlicher Selbstbestimmung zu vereiteln. Präsident Eisenhower erklärte, der Einsatz von Gewalt wäre ein »verhängnisvoller Fehler«. Die CIA gab einer abgestuften Subversionskampagne gegen das Land den Vorzug.
Über diese Thematik wollte sich Wisner mit Sir Patrick Dean ins Benehmen setzen. Als dieser zu dem lange vereinbarten Treffen nicht erschien, war Wisner zunächst perplex und dann außer sich. In der Tat hatte der britische Geheimdienstmann eine andere Verabredung: Er hielt sich in einer Villa außerhalb von Paris auf, um letzte Hand an den Plan zu einem gemeinsamen Angriff Englands, Frankreichs und Israels auf Ägypten zu legen. Ziel war der Sturz der Regierung Nasser und die gewaltsame Rückeroberung des Suez-Kanals. Zunächst sollte Israel Ägypten angreifen, danach würden England und Frankreich zuschlagen, als Friedensstifter auftreten und den Kanal in Besitz nehmen.
Von all dem hatte die CIA keine Ahnung. CIA-Chef Dulles versicherte Eisenhower, dass die Berichte über eine geplante israelisch-britisch-französische Militäraktion aus der Luft gegriffen seien. Er weigerte sich, den Hinweisen seines Chefermittlers sowie des amerikanischen Militärattachés in Tel Aviv Glauben zu schenken, die beide davon überzeugt waren, dass Israel eine kriegerische Aktion gegen Ägypten vorbereite. Er hörte auch nicht auf seinen alten Freund Douglas Dillon, der Botschafter in Paris war und ihn telefonisch davon unterrichtete, dass Frankreich an dem Komplott beteiligt war. Stattdessen hörte er lieber auf Jim Angleton und dessen israelische Kontaktleute. Die Israelis konnten sicher sein, dass sich Dulles und Angleton ihnen gegenüber zu ewigem Dank verpflichtet fühlten, weil sie ihnen eine Abschrift von Chruschtschows Geheimrede verschafft hatten, und so konnten sie die beiden mit Fehlinformationen benebeln, etwa mit dem Hinweis, dass es anderswo im Nahen Osten zu Unruhen kommen werde. Am 26.Oktober legte der CIA-Chef die israelischen Räuberpistolen im Nationalen Sicherheitsrat dem Präsidenten vor: Jordaniens König sei ermordet worden! Ägypten werde umgehend den Irak angreifen!
Präsident Eisenhower wischte diese Meldungen beiseite und verkündete, dass »die dringlichsten Nachrichten nach wie vor Ungarn betreffen«.
Zwei Tage zuvor hatte sich vor dem Parlamentsgebäude in Budapest eine riesige Menge von Demonstranten eingefunden, die, unter Führung von Studenten, gegen die kommunistische Regierung protestierten. Vor dem Gebäude des Staatsrundfunks, über den ein Parteifunktionär die Protestierenden beschimpfte, stand die verhasste Geheimpolizei einer zweiten Menschenmenge gegenüber. Einige Studenten waren bewaffnet. Aus der Rundfunkanstalt war ein Schuss zu hören, die Sicherheitspolizisten eröffneten das Feuer, der Kampf der Demonstranten mit der Polizei dauerte die ganze Nacht. Im Budapester Stadtpark riss eine weitere Menschengruppe das Standbild Stalins vom Sockel, schleifte es zum Nationaltheater und hieb es in Stücke. Am nächsten Morgen rückten Soldaten und Panzer der Roten Armee in Budapest ein; den Demonstranten gelang es, wenigstens ein paar junge Sowjetsoldaten zu bereden, sich ihnen anzuschließen. Die Aufständischen fuhren dann auf sowjetischen Panzern, auf denen die ungarische Fahne aufgepflanzt war, bis vor das Parlamentsgebäude. Die russischen Truppenführer gerieten in Panik, und so kam es am Kossuth-Platz schrecklicherweise zu einem blindwütigen Trommelfeuer, bei dem an die hundert Menschen den Tod fanden.
Im Weißen Haus bemühte sich Allen Dulles, seinem Präsidenten die Bedeutung des Ungarnaufstands plausibel zu machen. »Chruschtschows Tage sind wohl gezählt«, meinte er. Mit seiner Schätzung lag er um sieben Jahre daneben.
Am darauffolgenden Tag, dem 27.Oktober, kontaktierte er Wisner, der sich gerade
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