CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Budapest Kinder und Jugendliche zusammenschossen, verbrachte Wisner eine schlaflose Nacht in Barnes’ Residenz und spielte mit einer elektrischen Eisenbahn. Eisenhowers Wiederwahl am folgenden Tag vermochte ihn nicht zu erfreuen. Aber auch den Präsidenten freute es nicht, in Allen Dulles’ aktuellem, wenn auch wahrheitswidrigen Bericht lesen zu müssen, dass die Sowjets die Entsendung von 250 000 Mann nach Ägypten zur Verteidigung des Suez-Kanals gegen Briten und Franzosen vorbereiteten. Und ebenso wenig machte es ihn glücklich, dass die CIA unfähig war, einen aktuellen Bericht über die Militärmaßnahmen der Sowjets in Ungarn vorzulegen.
Am 7.November flog Wisner nach Wien zur dortigen CIA-Station, keine 60 Kilometer von der ungarischen Grenze entfernt. Hilflos musste er mit ansehen, wie die ungarischen Partisanen ihre letzten Botschaften an die freie Welt über den Fernschreiber von Associated Press absetzten: »WIR SIND UNTER SCHWEREM MASCHINEN-GEWEHRBESCHUSS … AUF WIEDERSEHEN, FREUNDE. GOTT SEI UNSERER SEELE GNÄDIG.«
Er verließ Wien Hals über Kopf und flog nach Rom. Dort hatte er ein Abendessen mit ortsansässigen Agenten der CIA, darunter William Colby, dem späteren Leiter des Geheimdienstes. Wisner war aufgebracht, dass Menschen starben, während sich die CIA zu keiner Entscheidung durchringen konnte. Nach Colbys Erinnerung wollte Wisner »den Freiheitskämpfern zu Hilfe kommen. Genau dies war der Zweck, für den die paramilitärischen Kapazitäten der CIA aufgebaut worden waren. Und es gibt gute Gründe anzunehmen, dass man sie auch hätte nutzen können, ohne einen Weltkrieg zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion heraufzubeschwören.« Wisner aber hatte kein kohärentes Konzept vorzuweisen. »Es war deutlich, dass er einem Nervenzusammenbruch nahe war«, erinnerte sich Colby.
Wisner flog weiter nach Athen, wo ihn der dortige CIA-Chef John Richardson »extrem aufgedreht und in höchster Geschäftigkeit und Anspannung« erlebte. Er beruhigte seine gereizten Nerven mit Zigaretten und Alkohol, trank Whisky aus der Flasche, in einer Stimmung aus Trübsal und ohnmächtiger Wut.
Am 14.Dezember war er wieder in Langley und hörte sich Dulles’ Einschätzung der Chancen für einen Häuserkampf in Ungarns Städten an. »Wir sind gut gerüstet für einen Guerillakampf in den Wäldern«, meinte Dulles, »aber wir haben viel zu wenig Waffen für den Straßen- und Nahkampf, insbesondere fehlt es uns an Waffen zur Bekämpfung von Panzern.« Er bat Wisner, ihm »die besten Waffen (zu nennen), die man den Ungarn (und) anderen Freiheitskämpfern hinter dem Eisernen Vorhang, die bereit sind, gegen die Kommunisten zu revoltieren, aushändigen kann.« Wisner gab ihm eine prahlerische Antwort. »Die Wunden, die den Kommunisten in Russland durch die jüngsten weltpolitischen Ereignisse zugefügt worden sind, sind beträchtlich und einige sitzen sehr, sehr tief«, orakelte er. »Die USA und die freie Welt dürften also tüchtigen Rückenwind haben.« Einige von Wisners Kollegen meinten, einen Fall von Gefechtsabnutzung vor sich zu haben. Die ihm noch näherstanden, sahen freilich etwas noch Besorgniserregenderes. Am 20.Dezember wurde er im Delirium ins Krankenhaus geschafft, wobei nicht einmal die Ärzte die Diagnose des zugrunde liegenden Leidens ermitteln konnten.
Am gleichen Tag wurde Präsident Eisenhower im Weißen Haus der offizielle Bericht über eine geheime Untersuchung der verdeckten CIA-Aktivitäten vorgelegt. Wäre dieser Bericht an die Öffentlichkeit gelangt, die CIA wäre geliefert gewesen.
Hauptautor des Berichts war Botschafter David K. E. Bruce, zugleich der engste Freund von Frank Wisner – so eng jedenfalls, dass er schon mal eben zu Wisners Haus hinüberging, um dort zu duschen und sich zu rasieren, wenn in seiner Prachtvilla im Washingtoner Stadtbezirk Georgetown das Warmwasser ausgegangen war. Bruce war ein amerikanischer Aristokrat, die Nummer zwei in Wild Bill Donovans OSS in London, Präsident Trumans Botschafter in Frankreich, der Vorgänger von Walter Bedell Smith im Amt des Stellvertretenden Außenministers und im Jahr 1950 ein Kandidat für den Posten des CIA-Chefs. Er wusste eine Menge über die In- und Auslandsaktivitäten des Geheimdienstes. Seine privaten Tagebücher weisen Dutzende von Verabredungen mit Allen Dulles und Frank Wisner aus, mit denen er sich zwischen 1949 und 1956 in Paris und Washington zum Frühstück, zum Mittag- und Abendessen, auf einen Drink
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