CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Gebäude des sowjetischen Machtbereichs zu fahnden. Vizepräsident Nixon erklärte, es nutze Amerikas Interessen, wenn die Sowjets einen weiteren sich gerade frei strampelnden Satellitenstaat, beispielsweise Ungarn, unter Beschuss nähmen und damit Argumente für eine weltweite antikommunistische Propaganda lieferten. Außenminister John Foster Dulles griff die Idee auf und erhielt von Präsident Eisenhower die Genehmigung für eine Verstärkung der Bemühungen, in den Ländern unter sowjetischer Kuratel »spontane Bekundungen der Unzufriedenheit« anzuzetteln. CIA-Chef Allen Dulles sagte zu, über Radio Free Europe eine Aktion starten zu lassen mit dem Ziel, Luftballons über den Eisernen Vorhang nach Osten zu schicken, an denen Flugblätter und »Freiheitsmedaillen« befestigt werden sollten – Aluminiumplaketten mit aufgedruckten Slogans und der aufgeprägten Abbildung der Freiheitsglocke.
Danach begab sich Amtschef Dulles auf eine 57-tägige Weltreise, die er, angetan mit einem Fliegeranzug mit Reißverschluss, an Bord einer eigens für diesen Zweck ausgestatteten viermotorigen DC-6 antrat. Dulles machte Kurzbesuche bei den CIA-Stationen in London und Paris, Frankfurt und Wien, Rom und Athen, Istanbul und Teheran, Dharhan und Delhi, Bangkok und Singapur, Tokio und Seoul. Seine Reise war ein offenes Geheimnis: Dulles wurde wie ein Staatsoberhaupt empfangen und genoss das Rampenlicht. Ray Cline, der seinen Chef auf diesem Flug um die Welt begleitete, nannte die Reise »eine jener Geheimtouren, um die es die meiste Publicity überhaupt gegeben hat«. Geheimnisumwittert und doch von strahlendem Glanz umgeben – genauso war die CIA unter Allen Dulles. Sie war ein Ort, so meint jedenfalls Ray Cline, wo »absolut geheime Maßnahmen im Handumdrehen publik wurden«, während »die Auswertung von Informationen in einer Atmosphäre der Geheimniskrämerei stattfand, die gänzlich unnötig, häufig kontraproduktiv und auf Dauer sogar schädlich war«. Und noch etwas begriff Cline, wenn er die ausländischen Staatsmänner vor Dulles katzbuckeln sah: »Die CIA stand für eine Großmacht. Das war ein bisschen angsteinflößend.«
»Den Kopf in den Sand gesteckt«
Am 22.Oktober 1956, kurz nach Dulles’ Rückkehr nach Washington, knipste ein zutiefst erschöpfter Frank Wisner das Licht in seinem Büro aus, durchquerte die Korridore des Provisorischen Gebäudes L mit ihrem abgewetzten Linoleum und den Wänden mit abblätternder Farbe, fuhr heim nach Georgetown in sein geschmackvoll eingerichtetes Haus und packte die Koffer, um eine eigene Besuchstour zu den wichtigsten CIA-Stationen Europas anzutreten.
Weder er noch sein Boss hatten die leiseste Ahnung von den beiden Großereignissen, die sich draußen in der Welt anbahnten. In London und Paris waren Kriegsvorbereitungen im Gange, während in Ungarn ein Volksaufstand vor der Tür stand. Im Verlauf der nächsten hochdramatischen vierzehn Tage sollte Allen Dulles in seinen Berichten an den Präsidenten jeden einzelnen Aspekt dieser beiden politischen Krisen fehlinterpretieren beziehungsweise falsch darstellen.
Es war bereits Nacht, als sich Wisner auf den Flug über den Atlantik begab. Nach seiner Landung in London stand als Erstes ein lange geplantes Arbeitsessen mit Sir Patrick Dean, einem hochrangigen britischen Geheimdienstbeamten, auf der Tagesordnung. Sie wollten Pläne zum Sturz des ägyptischen Staatschefs Gamal Abdel Nasser erörtern, der drei Jahre zuvor durch einen Militärputsch an die Macht gekommen war. Dieses Konzept war über Monate hin ausgebrütet worden. Sir Patrick war einige Wochen zuvor in Washington gewesen, und beide waren darin einer Meinung, dass Nasser ihren Zielen im Wege stand und, so oder so, aus dem Amt entfernt werden müsse.
Zunächst hatte die CIA Nasser unterstützt, hatte ihm Millionenbeträge in die Hand gedrückt, einen starken staatlichen Radiosender aufgebaut und ihm amerikanische Militär- und Wirtschaftshilfe zugesagt. Dennoch wurde der Geheimdienst von den Ereignissen überrascht, und das, obwohl in der amerikanischen Botschaft in Kairo viermal mehr CIA-Beamte als Vertreter des Außenministeriums beschäftigt waren. Die größte Überraschung indes war, dass Nasser nicht eigentlich käuflich war, denn einen Teil der drei Millionen Dollar, die ihm die CIA als Bestechungsgeld zugesteckt hatte, benutzte er für den Bau eines Minaretts auf einer Nilinsel gegenüber dem Nile Hilton. Im Volksmund trug es den Namen El wa’ef rusfel ,
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