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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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funktionsfähige Koalitionsregierung bilden, die Ein-Parteien-Herrschaft abschaffen, die Bindung an Moskau aufkündigen, Ungarn zu einem neutralen Staat erklären und die Vereinten Nationen sowie die Vereinigten Staaten um Hilfe bitten. Aber schon als Nagy die Macht übernahm und die Kontrolle der Sowjets über Ungarn beseitigen wollte, sah Allen Dulles in ihm einen politischen Versager. Er erklärte dem Präsidenten kurzerhand, dass Kardinal Mindszenty, der Mann des Vatikans in Ungarn, dessen Hausarrest erst kurz zuvor aufgehoben worden war, die Nation führen könne und solle. Im Sender Freies Europa wurde dies die Leitlinie der Programmpolitik: »Ein wiedergeborenes Ungarn und ein berufener, von Gott gesandter Führer sind in diesen Stunden zusammengekommen.«
    Die CIA-Sender beschuldigten Nagy wider besseres Wissen, Sowjettruppen nach Budapest zu beordern, und nannten ihn einen Verräter, Lügner und Mörder. Da er früher Kommunist gewesen war, hing ihm dies nun auf Ewigkeit an. Drei nagelneue Sendefrequenzen wurden von der CIA ab sofort in Betrieb genommen. Im Frankfurter Sender erklärten Sympathisanten aus dem russischen Emigrantenmilieu, dass eine Armee von Freiheitskämpfern in Richtung ungarische Grenze marschiere. Von Wien aus fing die CIA die empfangenen leistungsschwachen Sendesignale ungarischer Partisanen auf und strahlte sie verstärkt nach Budapest zurück. Aus Athen ließ die Abteilung Psychologische Kriegführung der CIA verlauten, dass die Russen an den Galgen kämen.
    Als CIA-Chef Dulles am 1.November Präsident Eisenhower auf der anstehenden Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats über die Situation in Budapest informierte, war er geradezu in Hochstimmung. »Was dort passiert ist, ist ein Wunder«, erklärte er dem Präsidenten. »Wegen des Drucks der öffentlichen Meinung konnten die Streitkräfte nicht effektiv eingesetzt werden. Ungefähr 80 Prozent der ungarischen Armee sind zu den Rebellen übergelaufen und haben diese mit Waffen versorgt.«
    Mit seiner Einschätzung lag Dulles indessen völlig daneben. Die Bewaffnung der Aufständischen war nicht der Rede wert. Die ungarische Armee hatte nicht die Seite gewechselt. Vielmehr wartete sie ab, welcher Wind aus Moskau blasen würde. Die Sowjets ihrerseits schickten mehr als 200 000 Mann und an die 2500 Panzer und Panzerfahrzeuge in die Schlacht um Ungarn.
    Am Morgen des sowjetischen Einmarsches teilte Zoltan Thury, der ungarische Sprecher von Radio Free Europe, seinen Hörern mit, dass »der Druck auf die US-Regierung zur Entsendung von Militär zur Unterstützung der Freiheitskämpfer unausweichlich« sein werde. Als in den folgenden Wochen Zehntausende von verzweifelten und wütenden Flüchtlingen über die Grenze nach Österreich kamen, sprachen viele von dieser Sendung als dem »Versprechen, dass Hilfe kommen werde«. Hilfe aber kam nicht. Allen Dulles beteuerte, dass die CIA-Sender nichts getan hätten, wodurch sich die Ungarn hätten bestärkt sehen können. Präsident Eisenhower glaubte ihm. Erst vierzig Jahre später sollten die Mitschriften der damaligen Radiosendungen ans Licht kommen.
    Innerhalb von vier schrecklichen Tagen zerschmetterten die Sowjettruppen den Widerstand der Partisanen von Budapest, Zehntausende wurden getötet, weitere tausend wurden in sibirische Gefangenenlager verschleppt und kamen dort um.
    Das Gemetzel begann am 4.November. Am Abend dieses Tages bestürmten ungarische Flüchtlinge die amerikanische Botschaft in Wien und forderten die USA zum Eingreifen auf. Sie stellten sehr unangenehme Fragen, erinnerte sich der damalige Leiter der CIA-Mission, Peer de Silva: »Warum wir nicht geholfen hätten? Ob wir nicht gewusst hätten, dass die Ungarn mit unserer Unterstützung gerechnet hätten?« De Silva hatte keine Antwort auf ihre Fragen.
    Aus dem Hauptquartier in Langley setzte man ihm mit Befehlen zu, er solle – gar nicht vorhandene – Legionen von Sowjetsoldaten festsetzen, die ihre Waffen weggeworfen hätten und sich auf dem Weg zur österreichischen Grenze befänden. Dulles machte Präsident Eisenhower von diesem Heer von Überläufern Mitteilung. Es bestand nur in seiner Einbildung. De Silva konnte nur mutmaßen, dass »das Hauptquartier im Wahn der Zeitläufte befangen war«.
    »Merkwürdige Dinge entwickeln sich«
    Am 5.November traf Wisner in der CIA-Mission in Frankfurt ein, deren Leiter Tracy Barnes war. Er war höchst beunruhigt und konnte kaum ein Wort herausbringen. Während russische Panzer in

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