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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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in London aufhielt. Als Leiter der Abteilung Verdeckte Operationen wollte er alles versuchen, was in seinen Kräften stand, um den Aufstand voranzubringen. Acht lange Jahre hatte er für einen Augenblick wie diesen gebetet.
    Der Nationale Sicherheitsrat hatte ihn beauftragt, in Ungarn die Hoffnung am Leben zu erhalten. »Alles andere«, so hieß es in seinem Befehl, »würde auf eine Infragestellung der moralischen Grundlagen für den Führungsanspruch der USA gegenüber den Völkern der freien Welt hinauslaufen.« Dem Weißen Haus hatte er versprochen, er werde über die katholische Kirche, Bauernverbände, angeworbene Agenten und Exilgruppen eine landesweite Untergrundbewegung zur politischen und paramilitärischen Kriegführung ins Leben rufen. Damit war er vollständig gescheitert. Die Emigranten, die er von Österreich aus ins Land geschickt hatte, waren festgenommen worden. Die Angeworbenen hatten sich als Aufschneider und Halunken entpuppt. Seine Bemühungen um den Aufbau eines geheimen Nachrichtennetzes in Ungarn selbst waren fehlgeschlagen. Überall in Europa hatte er Waffen vergraben lassen, aber als es darauf ankam, konnte niemand sie finden.
    Im Oktober 1956 gab es kein CIA-Büro in Ungarn. Ebenso wenig gab es in der Abteilung Geheimoperationen im CIA-Hauptquartier eine Unterabteilung für entsprechende Aktivitäten in Ungarn, und kaum einer war des Ungarischen mächtig. Einen einzigen Mann hatte Wisner bei Ausbruch des Aufstands in Budapest, Geza Katona, einen Amerikaner ungarischer Abstammung, der 95 % seiner Arbeitszeit als untergeordneter Angestellter des Außenministeriums mit Büroarbeit zubrachte: Er gab Briefe zur Post, kaufte Briefmarken und Büromaterial, legte Dokumente ab. Bei Ausbruch der Unruhen war er das einzige Paar verlässlicher Augen und Ohren, über das die CIA in Budapest verfügte.
    Während der zweiwöchigen Dauer der ungarischen Revolution wusste die CIA über die Ereignisse nicht mehr als das, was in den Zeitungen stand. Sie hatte keinen Schimmer, dass es zu einem Aufstand kommen würde, wie er sich entwickeln würde oder dass die Sowjets ihn niederwerfen würden. Wäre das Weiße Haus mit der Bereitstellung von Waffen einverstanden gewesen, die CIA hätte nicht gewusst, wem sie sie hätte geben sollen. Eine geheime CIA-Chronologie des Ungarnaufstands spricht davon, dass der Geheimdienst »den Kopf in den Sand gesteckt« habe.
    »Zu keiner Zeit«, so heißt es dort weiter, »hatten wir dort irgendetwas, das für eine Geheimdienstoperation hätte gehalten werden können oder sollen.«
    »Der Wahn der Zeitläufte«
    Am 28.Oktober flog Wisner nach Paris und rief ein paar vertrauenswürdige Mitglieder einer amerikanischen Delegation zu sich, die an einer NATO-Konferenz zu Fragen Osteuropas teilnahmen. Dazu gehörte auch Bill Griffith, ein hochrangiger politischer Berater der Münchener Zentrale von Radio Free Europe. Wisner, dem die Tatsache einer Revolte gegen den Kommunismus Anlass zum Frohlocken bot, drängte Griffith, die Propagandaoffensive auszuweiten. Seine Appelle hatten eine Direktive des New Yorker Chefs von Radio Free Europe an die ungarischen Mitarbeiter in München zur Folge: »Sämtliche Einschränkungen sind aufgehoben«, hieß es darin. »Keine Zurückhaltung mehr. Wiederhole: Keine Zurückhaltung mehr.« Ab sofort rief Radio Free Europe alle Ungarn dazu auf, Eisenbahngleise zu blockieren, Telefonleitungen niederzureißen, die Partisanen zu bewaffnen, Panzer in die Luft zu jagen und die Sowjets bis aufs Blut zu bekämpfen. »Hier spricht RFE, die Stimme des Freien Ungarn«, so die Ankündigung im Radio. »Im Falle eines Panzerangriffs sollte mit allen leichten Waffen das Feuer auf die Geschützvisiere eröffnet werden.« Die Rundfunkhörer wurden aufgefordert, »auf den vergitterten Lüftungsschlitz über dem Motor Molotowcocktails zu werfen, eine benzingefüllte Ein-Liter-Weinflasche.« Am Ende der Sendung hieß es: »Freiheit oder Tod!«
    An jenem Abend hielt der von Hardlinern aus der Kommunistischen Partei ausgestoßene frühere Ministerpräsident Imre Nagy im staatlichen Rundfunk eine Rede, in der er die »schrecklichen Fehler und Verbrechen der letzten zehn Jahre« brandmarkte. Er kündigte an, die russischen Truppen würden aus Budapest abgezogen, die staatlichen Sicherheitskräfte aufgelöst und eine »neue Regierung auf Grundlage der Volksmacht« für die demokratische Selbstbestimmung kämpfen. Innerhalb von zweiundsiebzig Stunden, so Nagy, werde er eine

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