Ciao Mayer
war der Freund überhaupt nicht begeistert gewesen. Ein Stein aus dem Park, mit einem Fleck drauf, hatte er gehöhnt und aufgezählt, was das wohl alles sein könnte. „Hundescheiße“ war noch fast das Harmloseste. Und ja klar, der tolle Journalist gehe nur einmal durch die Stadt, immer seiner Nase nach, und - zack! - habe er den Tatort eines Verbrechens gefunden, den die Polizei vergebens suchte. Erst als Massimo ihn beschwatzt hatte, sich die Bilder vom Tascheninhalt des ermordeten Mannes, den sie aus dem Tiber gefischt hatten, zu besorgen und genau anzusehen, hörte der Spott auf. Es war eindeutig: Die Steine, die man bei dem Toten gefunden hatte, waren dem, den Massimo aus der Villa Borghese angeschleppt hatte, auffallend ähnlich. Da konnte er es auf einmal gar nicht mehr abwarten, mit dem „sensationellen Fundstück“ zu seinem Chef zu eilen. Ja, natürlich würde er anrufen, sobald sie mehr wüssten, das sei doch selbstverständlich. Aber er müsste jetzt wirklich...
„...und der Fußballer?“ fragte Massimo noch schnell.
„Ach der junge Motti“, nein, da gebe es überhaupt nichts Neues, keinen einzigen Anhaltspunkt. Aber jetzt...
Als Massimo das Polizeigebäude verließ, war er einerseits stolz über seinen kriminalistischen Erfolg, andererseits rückte sein vertrackter Auftrag wieder mit solcher Macht in sein Bewusstsein, dass er fürchtete, sofort Kopfschmerzen zu bekommen. Was sollte er schreiben? Er konnte doch nicht dieselben Fragen, die er gestern aufgeworfen hatte, heute noch einmal präsentieren. Und Antworten hatte er nun einmal nicht. „Das wird ’ne Katastrophe“, dachte Massimo und lenkte seine Vespa Richtung Viale Trastevere. Er brauchte jetzt eine hauchdünne, dick belegte Pizza.
Die Idee, die ihm bei der Zigarette kam, die auf Pizza und Kaffee folgte, war an sich gut. Dass sie ihn in größte Schwierigkeiten bringen würde, konnte er nicht wissen.
Vielleicht könnte man über den Hund, der den Fußballer zerfetzt hatte, einen Zugang zu der Geschichte finden, schoss ihm plötzlich in den Kopf. Oder über die Hunde, denn womöglich waren es ja auch mehrere gewesen. Welche Hunde reißen Menschen in Stücke, warum, was bringt sie dazu? Wen könnte man fragen? Der Hundeübungsplatz fiel ihm ein, den er vor ein paar Wochen zufällig gesehen hatte.
Er hatte vier Stühle kaufen wollen, bei Castellucci, dem großen Möbelhaus draußen an der Via Aurelia, Richtung Torrimpietra. Er hatte sie in einem Werbeprospekt gesehen, aus massivem Holz, trotzdem ganz billig. Er brauchte dringend Stühle. Schon oft hatte er sich geschämt, dass er überhaupt nur zwei Stühle besaß, beide zudem alt und verkratzt. Aber aus der Nähe betrachtet hatte ihm das "supertolle Castellucci-Angebot" doch nicht so recht gefallen. Und weil er nicht auf der vierspurigen, ewig hektischen Via Aurelia nach Rom zurückkehren wollte, war er vom Möbelhaus aus über kleine, ihm völlig unbekannte Seitenstraßen gefahren. Das wollte er jedenfalls.
Kaum war er um zwei, drei Ecken gebogen, hatte er auch schon jede Orientierung verloren. Nach mehr als einer halben Stunde Fahrt durch eine düstere Industriezone war er - glücklich, wenn er ehrlich war - wieder am Möbelhaus angekommen und hatte dann doch die laute, verkehrsreiche Via Aurelia genommen. Zuvor jedoch, gleich hinter Castellucci, am Ende der ersten Straße, war er auf einen großen Hundeübungsplatz gestoßen. Dutzende Menschen waren mit ihren Tieren unterwegs gewesen, hatten diese über Holzbalken springen, bei Fuß gehen oder an einer Arm-Attrappe zerren lassen. Die meisten Hunde waren groß. Er erkannte Schäferhunde und Dobermänner; andere waren ihm unbekannt, aber auch sie schienen, nach dem Augenschein aus der Ferne zumindest, überwiegend gefährlich. Dort müsste man doch jemanden finden, der einem weiterhelfen könnte, dachte Massimo. Er irrte.
*
Der Versuch, den Hundeübungsplatz unter Umgehung der ungeliebten Via Aurelia, wieder zu finden, war nicht besonders erfolgreich. Am Metro-Großmarkt vorbei, dann auf der Via Del Pescaccio über den Autobahnring und weiter auf der Via Casale Lumbroso - das klang einfach, das müsste gut gehen, dachte er. Tat es nicht. Es dauerte endlos, bis er endlich auf der Lumbroso war. Danach wurde es nicht besser. Alle zwanzig Meter ging eine Straße ab, und jede war entweder eine Sackgasse oder kehrte in einer Schleife zur Lumbroso zurück. Massimo zweifelte wieder einmal an seiner römischen Herkunft und gab auf. Er
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