Ciao Mayer
dann bliebe er ja auf den „Einfachen“ sitzen, war die barsche Antwort. Aber schau, Claudio, versuchten es seine Kunden immer wieder, dann bestellst du zwanzig oder dreißig Einfache weniger und entsprechend mehr Gefüllte, dann sind wir zufrieden und du verdienst dabei sogar mehr. Denn die Gefüllten sind ja teurer. Seit Jahren ging das so, aber es half nichts. Sie konnten schimpfen, schmeicheln, locken, wie sie wollten, es blieb dabei: Claudio hatte ebenso viele Cornetti mit Füllung wie solche ohne auf der Theke stehen, die ersten waren schnell weg, die anderen standen bis Mittag dort.
Mit einem Espresso vor sich und seinem Hörnchen in der linken Hand stand Massimo an der Theke, starrte vor sich hin und kaute. Seine creme-induzierten Glücksgefühle waren schnell von Gedanken an den beginnenden Tag überlagert. Wo hatte er bloß diese Steine gesehen? Sein Hirn marterte sich in einer Endlosschleife. Da passierte es.
Massimo biss, das Hörnchen brach an der Seite auf, der Pudding quoll heraus, fiel und landete auf seinem rechten Jackenärmel. Weil Massimo instinktiv mit der linken Hand nachfasste, im völlig blödsinnigen Versuch, die weiche Masse noch vor dem Aufprall zu fangen, fielen weitere Teile Pudding und Hörnchen ab. Auch davon ging ein Teil auf die Jacke. „Mist“, sagte Massimo, sah erst auf die Patsche auf seinem Arm, dann auf den kargen Hörnchenrest in seiner Hand. Auch der sah nicht eben appetitlich aus. Der Puderzucker und die Creme hatten das halb zerdrückte Gebäck fast weiß werden lassen, beige-weiß.
„Villa Borghese!“ rief Massimo plötzlich laut aus, „Na klar, ich Idiot!“
Zwei Kaffeetrinker rechts von ihm an der Bar, sahen vorsichtig in seine Richtung, betont unauffällig. Hektisch stopfte sich Massimo den Hörnchenrest in den Mund. Er leckte seine verklebten Finger ab, wischte dann unbeholfen an seinem Jackenärmel herum, verteilte den Creme-Teig-Matsch großflächig. Mit Puderzucker auf der Nase eilte er mit einem „Ciao Claudio!“ aus der Bar. Draußen schwang er sich auf seine Vespa.
Im Park „Villa Borghese“ gab es sogar ein paar Straßen. Auf denen durften werktags Taxen, Busse und Mopeds die ausgedehnte Grünanlage durchqueren. Auf den Wegen, auf denen Massimo bald fuhr, durfte niemand fahren, nicht sonntags, nicht werktags, nicht einmal ein Fahrrad war dort erlaubt. Überall verhießen Schilder drakonische Strafen für Zuwiderhandlungen. Aber wie sollte er sonst die unendliche Strecke der schmalen Spazierwege kontrollieren? Prüfen, wo die flachen, hellen, senkrecht aufgestellten Steine an den Wegrändern möglicherweise fehlten? Ablaufen konnte er die Strecken jedenfalls nicht, dazu war der Park viel zu groß.
Wieso war er nicht früher darauf gekommen! ärgerte sich Massimo. Denn diese Steine kannte er gut. Regelmäßig konzentrierte er sich beim Joggen auf sie. Wenn er am Ende seiner Kraft war, aber noch nicht aufgeben wollte, zählte er sie. Ihre Gleichförmigkeit, ihre scheinbar endlose Abfolge rechts und links des Weges gab ihm Halt - jedenfalls soweit, dass er noch ein paar hundert Meter durchhielt.
Massimo war kein begnadeter Jogger. Eigentlich war er nach 500 Metern schon am Ende. Dann hasste er sich und das Joggen. Aber ein paar Tage später, wenn die Anzeige seiner Waage sich erneut den hundert Kilo näherte, schleppte er sich wieder keuchend durch den Park, hasste sich, hasste das Joggen und konzentrierte sich auf die Steine.
So wie jetzt. Ab und zu nach vorne blickend, um eventuelle Polizeistreifen rechtzeitig zu erkennen, fuhr Massimo die Wege hinauf und hinunter und fixierte den beige-weißen Steinrand. Nach einer halben Stunde, hatte er die Stelle: Dort wo der Weg ziemlich nahe an den hohen Mauern des Zoologischen Gartens vorbeiführte, der den Park nach Norden abschloss, und sich dann zu einem kleinen Plätzchen verbreiterte, genau dort fehlten einige Steine in der Reihe.
Massimo stieg vom Moped. Er bückte sich, inspizierte die Stelle genauer. Mit Fußtritten mussten fünf, sechs Begrenzungssteine aus dem Boden gewuchtet worden sein. Kräftige Tritte mit stabilem Schuhwerk. Neben der Lücke sah er auf einem Stein dunkle Flecke. Vorsichtig ruckelte und wackelte er, bis der sich aus dem harten Boden ziehen ließ.
„Vielleicht Blut“, dachte er, „Im Krimi ist das immer Blut.“
*
Es war wie im Krimi. Am späten Nachmittag rief ihn sein Polizei-Freund an, dem er den Stein gebracht hatte. Sie hatten ihn untersucht, es war Blut.
Anfangs
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