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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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noch, dann zog sie sich an einem der gedrechselten Holzpfosten empor. Blutstropfen übersäten den weißen Dekorationsstoff. Ciara keuchte. Schweiß bildete sich neu auf ihrer Stirn, den sie mit der blutenden Hand fortwischte. Dem Bett gegenüber stand eine Kommode, nur wenige Schritte entfernt, die ihr aber wie unzählige Kilometer erschienen. Sie stieß sich vom Bett ab, wankte für Sekunden und begann im Kopf zu zählen: ›Eins – zwei – drei.‹ Jemand schob die schon bekannte düstere Wand zwischen Ciara und das Möbelstück. Erneut schloss sie die Augen und taumelte schwerfällig hindurch, tastete mit den Fingern voran, und endlich berührten diese den Rand des Schränkchens. Sie fühlte sich, als habe sie nach einem Marathonlauf das Ziel erreicht, beugte sich nach vorne über und schnappte nach Luft. Nachdem sie sich beruhigt hatte, bewegte sie sich zaghaft vorwärts, stets darauf bedacht, sich abzustützen, erst an der Kommode, dann an der Wand. Ihre Knie zitterten. Endlich stieß sie die Tür zum Badezimmer auf, suchte mit einer Hand nach dem Lichtschalter und kniff die Augen zu, als die hellen Strahler aufflammten.
    Sie blinzelte mehrmals, schirmte die Augen mit einer Hand ab und starrte in den Spiegel, der die Wand über dem Waschbecken vollständig einnahm. Dunkle Ränder unter den Augen hoben sich von ihrer weißen Haut ab. Quer über die Stirn zog sich ein blutiger Streifen. Ciara fuhr sich über das Gesicht und verteilte so das Blut auf Wange und Nase. Ihr Antlitz glich dem eines zu blassen Indianers mit Kriegsbemalung.
    Ihre Augen brannten und fühlten sich so trocken an, als bestünden ihre Lider aus Schmirgelpapier, das bei jedem Lidschlag den Augapfel abschliff.
    Schnell knipste Ciara das Licht wieder aus, schlich erschöpft tiefer in den kühlen, fensterlosen Raum, hielt sich dabei an dem breiten, aus grauem Marmor gemeißelten Waschbecken fest und sank schließlich auf die Toilette. Ihr Kopf fiel schlaff nach vorne, das Kinn lag beinahe auf der Brust, sie atmete stoßweise.
    Nachdem sie ein wenig Kraft geschöpft hatte, drehte Ciara zitternd den Hahn des neben der Toilette vorhandenen Bidets auf. Die alten Rohre blubberten und murrten, dann schoss eine Fontäne empor, durchnässte den Krankenhauskittel, den Ciara noch immer trug, und benetzte ihre Haare. Im Geiste sah sie, wie sich ihr blutiges Make-up in ein Aquarell verwandelte. Sie dachte an ihre Mutter, die schwere, dicke Ölfarben bevorzugt hatte und der dieses Bild vermutlich zu farblos gewesen wäre.
    Das Rauschen des Wassers dröhnte in ihren Ohren. Sie stellte den Strahl niedriger ein, sodass er ihr direkt auf den Mund zielte. Gierig trank sie, leckte sich wie ein Hund die Wasserperlen von den Lippen und hielt anschließend das Gesicht in den schmalen Strahl, wusch sich Blut und Schweiß ab. Feine Tropfen aus ihren Haaren sprühten durch die Luft. Ihr Nackenwirbel knackte, als sie sich ruckartig zur Tür wandte. Mechanisch drehte sie den Wasserhahn zu.
    Ein fremdes Geräusch in ihrer sonst vertrauten Umgebung brachte sie dazu, für einige Sekunden mit angehaltenem Atem zu lauschen. Ciara fürchtete sich. In ihrer Geburtstagsnacht hatte sie dieses Gefühl das erste Mal kennengelernt, diesen wehrlos machenden Reiz, welcher ihr einen Adrenalinstoß nach dem anderen durch den Körper jagte, so oft und stark, dass sich jeder Muskel spürbar anspannte. Sie kämpfte dagegen an.
    Jemand ging über den Marmorboden des Foyers. Bedächtige Tritte, leichtfüßig, beinahe tänzelnd. Nun schritt der Eindringling die Treppe hinauf. Gleich würde die vorletzte Stufe knarren – angespannt stierte Ciara in die Dunkelheit und lauschte.
    Ja. Da. Sie erkannte den vertrauten Ton, jetzt erschien er ihr wie eine Warnung. Was sollte sie unternehmen? Für einen Kampf fühlte sie sich zu schwach. Das Telefon lag irgendwo auf einem der Tischchen in der Eingangshalle, zu weit, um es zu erreichen und Hilfe zu rufen.
    Ihr Brustkorb schmerzte, weil sie versuchte, so flach wie möglich zu atmen. Es blieb ihr keine andere Wahl, sie musste abwarten und hoffen, dass niemand hier nach ihr suchte. Neuer Schweiß bildete sich wie eine zweite Haut über ihrem zitternden Körper. Sie zog die Knie hoch, legte das Kinn darauf und schloss die Augen.
     
    Ihre Mutter schritt neben ihr. Mehrmals versuchte Ciara, mit ihr zu reden, aber auch diesmal brachte sie keinen Ton heraus. Ihre Stimmbänder schienen mit einem Fluch belegt zu sein.
    Abrupt blieb ihre Mutter stehen und

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