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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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ein.
    »Hab ich’s doch gesagt!« Mit der flachen Hand schlug Doktor Strepkow auf den Tisch. Mike zuckte zusammen.
    »Kein Eintrag. So eine Schlamperei. Schlimm. Als ob nicht auch die Toten in eine Kartei gehörten.« Er hüpfte von seinem Stuhl und eilte aus dem Büro. Mike versuchte, mit dem vor sich hin schimpfenden Mann Schritt zu halten. Trotz seiner geringen Größe bewegte sich Dr. Strepkow mit behänder Eleganz.
    »Wenn ich hier nicht alles alleine mache. Diese Taugenichtse. Kein Respekt vor nichts. Kein Anstand, kein Interesse.«
    Er stoppte vor dem Kühlraum.
    »Wir schauen uns die Neuzugänge an. Warum wollen Sie Ihre Patientin noch einmal sehen?«
    Mike räusperte sich, sein Blick suchte den Boden ab, als habe er dort einen Spickzettel mit der Antwort darauf verloren. Als er diesen nirgends entdecken konnte und die Wahrheit selbst nicht wusste, log er: »Sie ist meine erste Patientin, die gestorben ist – verstehen Sie?«
    Doktor Strepkow beäugte Mike interessiert, stellte sich auf die Zehen, versuchte ihm auf die Schulter zu klopfen und erwischte knapp seinen Oberarm. »Sie sind richtig!« Lächelnd nickte er Mike zu, wodurch sein rundes Gesicht einem aufgeplatzten Hefeteig ähnelte. Anschließend öffnete er den Raum, in dem die Toten lagen.
    Nach knapp zehn Minuten hatten sie die Ruhe aller dort liegenden Verstorbenen gestört.
    Während Doktor Strepkow von der Trittleiter stieg, die er benötigt hatte, um an die mittleren Fächer zu gelangen, sagte er: »Bestimmt hat Ihnen dieser Kollege einen Streich gespielt. Es gibt ja so viele Menschen, die keinen Respekt vor dem Tod haben.«
    Geistesabwesend erwiderte Mike: »Möglich.« Dann bedankte er sich bei dem Pathologen und eilte nach draußen. Gierig saugte er die eisige Januarluft in seine Lungen. In seinem Beruf blieb es nicht aus, Tote zu sehen, aber der Geruch in der Pathologie und die Ansammlung von Leichen überforderten ihn. Er dachte an ein kleines Mädchen, das wie schlafend auf einer der Bahren gelegen hatte. Mit der linken Hand fuhr er sich über die Augen.
    Irgendetwas stimmte hier nicht. Warum hatte Paul ihn angelogen?
     
    Vom Parkplatz aus betrat er das Krankenhaus über den Angestellteneingang und beeilte sich, auf seine Station zu gelangen. Ein Blick auf seine Armbanduhr bestätigte ihm, dass Paul Dienst haben musste. Auf dem Flur begegnete er Stephan, seinem Vorgesetzten.
    »Wann lässt du dir endlich die Haare schneiden, Mike?« Der Oberarzt der Gynäkologie missbilligte Mikes lange Haare, die er stets zu einem Zopf zusammengebunden hatte, und verpasste keine Gelegenheit, ihn darauf anzusprechen. Stephan selbst besaß nur ein paar dunkelbraune Flusen, die er sich gewöhnlich als Halbkranz um den Hinterkopf kämmte.
    Wie gewohnt überhörte Mike die Frage und erkundigte sich stattdessen nach Paul.
    »Der wird jetzt zu Hause sein. Er war die halbe Nacht hier und hat einem Kollegen das Leben gerettet.«
    »Wann hat er wieder Dienst?«
    »In vier Wochen.«
    »Wie bitte?« Mike glaubte, sich verhört zu haben.
    »Er hat Urlaub.«
    »Seit wann?«
    »Seit gestern, er muss was Privates klären. Kennst du seine Familie? Ich wusste gar nicht, dass er überhaupt ein Privatleben hat. Er ist doch fast immer hier.«
    »Nein, von einer Familie hat er nie erzählt. Steht denn nichts in seinen Akten?«
    »Paul ist schon länger hier als ich – und er ist ein hervorragender Arzt. Seine Personalmappe interessiert mich nicht, solange er gute Arbeit leistet. Und ich schnüffle nicht hinter Kollegen her.« Stephan massierte sich das linke Augenlid. »Aber nun entschuldige mich. Es war eine lange Nacht. Ich muss nach Hause; meine Frau ist krank und ich muss ihr die Zwillinge abnehmen. An Schlaf ist vermutlich nicht zu denken. Vielleicht sollte ich doch besser hierbleiben?« Er lächelte müde, winkte Mike zu und schritt schwerfällig den Gang entlang.
    Mike sah seinem sich entfernenden Chef hinterher und zischte: »Mich interessiert Pauls Privatleben aber brennend.«
     
    »Als Gegenleistung lade ich dich auch zum Essen ein. Bitte, Anne.« Er schenkte ihr ein verschmitztes Lächeln, das Annes Wangen leicht rosa färbte.
    »Ich bekomme nur Probleme damit.«
    Mikes Lächeln verwandelte sich für einige Augenblicke in ein anzügliches Grinsen. Ihm war nicht entgangen, dass die Sekretärin des Personalbüros in seiner Gegenwart immer nervös wurde. Jetzt konnte er ihr zeigen, dass er ihr Interesse durchaus erwiderte – zumindest für eine Nacht. Nichts fiel

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